Rotation

Deutschland (Ost) 1948/1949 Spielfilm

Rotation



Christiane Mückenberger, in: Ralf Schenk (Red.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg 1946-92. Herausgegeben vom Filmmuseum Potsdam. Berlin: Henschel 1994.


Mit "Rotation" versuchte Wolfgang Staudte ästhetisch einen Gegenentwurf zu seinem Nachkriegserstling. Denn, so meinte er, ""Rotation" entstand aus einer ganz anderen Perspektive und besitzt überhaupt keine stilistischen Ähnlichkeiten mit "Die Mörder sind unter uns". (...) an und für sich wollte ich mit "Rotation" ein Dokument schaffen." In Staudtes Vorgehen bei der Besetzung für diesen Film sah der Kritiker Herbert Ihering den Versuch, eine schauspielerische Tradition fortzusetzen, geprägt von der Gruppe Junger Schauspieler, die von Erwin Piscator kamen, der "Jungen Volksbühne" Gustav von Wangenheims "Truppe 31". Rotation sei einer der wenigen Filme, in denen "neue Gesichter Typen prägen konnten". Ein solcher Typ war der Arbeiter Behnke, der erste Proletarier im DEFA-Film. Paul Esser, Theaterschauspieler, bewahrte ihn vor dem Klischee polternder oder heldischer, auf jeden Fall populistischer Hinterhof-Figuren. Er hatte keine Filmerfahrung, aber seine Art zu agieren, der auch der geringste Anflug von Sentimentalität fremd war, prägte wesentlich den unpathetischen Duktus von "Rotation".

Auch die Figur des Kurt Blank, Behnkes Schwager, ein Kommunist und Widerstandskämpfer, der im KZ umkommt, war neu im DEFA-Film. Staudte besetzte ihn gegen alle Konventionen mit Reinhold Bernt, der vor allem durch komische Rollen bekannt war, angefangen mit dem Clown in "Der blaue Engel" (1930/RE: Josef von Sternberg) bis zum Partner von Karl Valentin und Liesl Karlstadt. Auch er kam (wie sein Bruder Gerhard Bienert) von Piscator und der Gruppe Junger Schauspieler und gehörte zu jenen, die ihre Geschichte, das Milieu. aus dem sie kommen, mitliefern. Diese Figur unterscheidet sich in ihrem Lakonismus, ihrem mit valentinscher Traurigkeit gepaarten Humor wohltuend von so vielen seiner Nachfolger. "Damals gab es Schauspieler, denen man einen Arbeiter nicht nur in einer menschlichen Situation glaubte, sondern auch in seiner Handhabung und im ganzen Umkreis seiner Tätigkeit. Reinhold Bernt kommt aus dieser Welt."


Bruno Mondis Kamera unterstützte Staudtes Absichten. Es gibt keine dräuenden Schatten wie in "Die Mörder sind unter uns". So vertrug der Film die gegen Ende eingefügte Kampfszene aus dem sowjetischen Dokumentarfilm "Berlin" (1945/RE: Juli Raisman) ohne Stilbruch.
Dennoch zeichnet sich auch "Rotation" durch eine betonte Emotionalität aus. Der Film verzichtet nicht auf Sinnbilder, die bei allen gestalterischen Unterschieden zu "Die Mörder sind unter uns" Staudtes Handschrift prägten. In "Rotation" setzte er bestimmte Motive immer wieder metaphorisch ein: Die Kamera blickt durch Gitter in die ärmliche Kellerwohnung der Behnkes. Behnkes Sohn bekommt ein Laufgitter geschenkt, durch dessen Stäbe aus der Augenhöhe des Kindes die Kamera die triste Umwelt betrachtet. Behnke schaut verbittert durch den Zaun eines Vorgartens auf das sorglose Leben der Villenbewohner. Nach einer Protestdemonstration gerät Behnke hinter Gitter. Beim Wassereinbruch in den S-Bahntunnel unter der Spree versinnbildlicht ein Kanarienvogel im Käfig, der hilflos auf dem Wasser schaukelt, die hoffnungslose Lage Hunderter von Menschen, die dort ertranken.

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