Januskopf

DDR 1971/1972 Spielfilm

Humangenetik und Wismuterz



Hans-Dieter Tok, Wochenpost, Berlin/DDR, Nr. 39, 22.9.1972


Das ist kennzeichnend für Kurt Maetzig, seit Anbeginn der DEFA verpflichtet: Mit nahezu all seinen Filmen ging er gewichtige, erregende Themen an. Er widmete sich der wechselvollen Geschichte der deutschen Arbeiterklasse ("Ernst Thälmann", "Die Fahne von Kriwoj Rog"), setzte sich mit dem Faschismus auseinan­der ("Ehe im Schatten", "Der Rat der Götter"), brachte unser Werden auf die Leinwand ("Schlösser und Katen", "Septemberliebe"), befaßte sich gar mit der Heiterkeit unseres Alltags ("Vergeßt mir meine Traudel nicht") und mit einer möglichen Zukunft ("Der schweigende Stern"). Dieses stete Engagement, verknüpft mit einer schöpferischen Suche nach wirksamem filmischen Ausdruck, findet sich auch in seinem jüngsten Opus, dem Farbfilm "Januskopf". Wenn dieser Film jedoch nicht in die lange Liste seiner gelungenen, Höhepunkte im DEFA-Schaffen markierenden Werke aufzunehmen ist, dann liegt das wohl vor allem an einem überladenen, widersprüchlichen Buch mit vielerlei dramaturgischen Unzulänglichkeiten.



Drei Themen sind es, denen Hans-Albert Pederzani (Szenarium) und Helfried Schreiter (Drehbuch) nachspüren. Zum einen befassen sie sich mit der Humangenetik, der Vererbungslehre also, die Fluch oder Segen der Menschheit zu sein vermag, die ihre Deformierung bewirken kann oder ihre biologische Vervollkommnung. Zum anderen widmen sie sich der deutsch-sowjetischen Freundschaft, berichten von dem engen, produktiven Miteinander des Staatssekretärs Dr. Brock und seines sowjetischen Kollegen Slatkow, die sich im RGW-Auftrag um ein "genetisches Dubna" sorgen. Zum dritten schließlich erzählen sie die Geschichte des berühmten Biologen und Biochemikers Professor Hülsenbeck. (…)



Das sind drei weitgespannte, vielschichtige Themenkomplexe, denen schwerlich in einem normalen Kinofilm beizukommen ist. Pederzani und Schreiter blieben höchst unentschieden in ihrer Konzentration auf die Helden und ihre Geschichten, sie verlieren sich oft im überflüssigen Beiwerk. Da hat der sowjetische Gelehrte und Staatsmann eine konfliktreiche Ehekrise zu bestehen, weil er nicht die wissenschaftlichen Emanzipationsbestrebungen seiner Geologengattin begreift. Da erwartet in jenen Tagen, da der DDR-Staatssekretär im Sowjetland weilt, seine Frau ein Kind, das erst nach einem komplizierten Kaiserschnitt zur Welt kommt.


Kurt Mäetzigs Inszenierung weist vielerlei Bemühungen auf, Mankos der Vorlage zu tilgen. Sympathisch berührt vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der er die herzliche Freundschaft seiner beiden Helden schildert, ihre Offenherzigkeit wie ihre Unduldsamkeit. Viele attraktive Schauplätze kommen ins Bild, vor deren Hintergrund weltanschauliche Auseinandersetzungen ausgetragen werden. Doch weder Meeresstrand noch Dorfidylle oder Ministerbüro überdecken Vordergründigkeit und auch Bagatellisierung von Mensch, Problem und Dialog, ebensowenig die in oft schönen und emotional starken Szenen eingefangene Privatsphäre. Spürbar ist in der Kameraführung von Werner Bergmann und Jürgen Brauer eine Poetisierung der Geschichte, doch zeitweilig erscheint sie – wie die Farbgebung – dem intellektuellen Stoff unangemessen, betont seine Schwächen. Namhafte Schauspieler, so Armin Mueller-Stahl, Norbert Christian, Viktor Avdjusko, Katja Paryla und Galina Polskich, mühen sich darum, ihren Gestalten Profil und Unverwechselbarkeit zu verleihen.

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