Zwerg Nase

DDR 1978 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Markttag. Es ist eine Menge los in der kleinen Stadt. Hanne preist die Erzeugnisse ihres Gartens an, vor allem Kohl und verschiedene Kräuter. Handwerker wie ihr Mann, der Schuster Ernst, der Bäcker (Klaus-Peter Pleßow) samt flinkem Bäckerjungen (Rene Barr) und der Korbmacher (Lothar Hahn) offerieren ihre Dienstleistungen, ein Tuchhändler (Wolfgang Ernst) ist ebenso mit einem Stand vertreten wie eine Gemüsefrau (Angela Brunner). Bier wird gezapft und wer Zahnschmerzen hat, muss sich der brachialen Tortur eines Baders unterziehen. Zusätzlich Bewegung in den Markt kommt, als die Küchenbrigade des Herzogs Einzug hält, voran der stolze Oberküchenmeister und der zweite Mann, der allzu gerne der Erste wäre, der Unterküchenmeister. Dahinter die drei Köche (Ernst-Georg Schwill, Heinrich Schramm und Georg Irmer) und eine ganze Reihe Küchenjungen. Es gilt, den täglichen Einkauf für die herzogliche Tafel zu zelebrieren: nur das Beste und Frischeste für den größten Feinschmecker im Umkreis von eintausend Meilen. Jakob, der Sohn von Hanne und Ernst, ist unter seiner feschen Ballonmütze nicht auf den Mund gefallen und preist die Waren seiner Mutter an – mit einigem Erfolg beim hochnäsigen Küchenchef. Der dem Jungen seine größte Sorge preisgibt: Koch sei hierzulande ein gefährlicher Beruf, denn wenn es dem Herzog nicht schmeckt, droht nicht nur der Verlust der Stellung – sondern auch der des Kopfes!

Eine knorzige, bucklige, wie eine Hexe aussehende Alte mit Blatternarben im Gesicht und an den Händen humpelt durch das Stadttor. An jedem Stand greift sie nach den Waren, um über deren schlechte Qualität zu meckern – und nichts zu kaufen. Auch bei Hanne macht sie Halt und durchwühlt das Angebot an Kräutern. Bis es Ernst zu viel wird und die Alte bittet, entweder etwas zu erwerben oder weiterzuziehen. Sie entscheidet sich für drei große Kohlköpfe und bittet den Vater, ihr den Sohn, der sich gerade noch über ihr hässliches Äußere und besonders ihre lange, krumme Nase belustigt hat, zum Tragen mitzugeben. Die beiden dringen tief in den Wald vor der Stadt ein, bis die Höhle der Alten erreicht ist. In der sich nicht nur die Kohlköpfe verwandeln, freilich in die seltene DDR-Bückware Kokosnüsse und nicht in Menschenköpfe wie in der Vorlage Wilhelm Hauffs, sondern auch die Hexe in die strahlend-helle Schönheit der Fee Kräuterweis. Die nur alle fünfzig Jahre in die Stadt kommt, wie eine Marktfrau (Waltraut Kramm) den Eltern erzählt, die daraufhin sogleich nach ihrem Jungen suchen, aber ohne Erfolg zurückkehren. Hanne wird darüber ganz grau, nur lustlos, geradezu apathisch hockt sie fortan hinter ihrem Marktstand.

„Ich will dir ein Süppchen einbrocken, an das du ein Leben lang denkst“: Die Fee, in ihrer Höhle umgeben von skurrilen, zierlichen Zauberwesen, die in der Fernsehadaption von Beate Haspach und Günter Kaltofen von Mitgliedern der Staatlichen Ballettschule Berlin verkörpert werden, verwandelt Jakob in einen Zwerg mit extra langer Nase, der ihr für die nächsten sieben Jahre als Küchenjunge zur Hand gehen soll. Nachdem diese lange Zeit, in der Jakob in die Geheimnisse der feinen Küche eingeweiht wurde, verstrichen ist, kann er sich durch den Gebrauch des in einem kleinen Schrein versteckten Kräutleins Niesmitlust aus der Gewalt der Fee befreien und in seine Heimatstadt zurückkehren. Wo er selbst von den eigenen Eltern nicht erkannt und von allen anderen wegen seiner hässlichen Erscheinung verspottet wird.

Jakob bewirbt sich in der Küche des Herzogs. Nachdem ihm der Oberküchenmeister zur Probe die Kreation einer Frühstückssuppe gestattet, wird der bucklige Kleine vom über dessen pikante dänische Suppe mit Gänseleberklößchen restlos begeisterten Herzog persönlich in allen Ehren als Koch unter dem Namen „Zwerg Nase“ eingestellt. Der Regent wandelt sich dank Jakobs großer Kunst vom fettwanstigen Gourmand zum feinste Nuancen herausschmeckenden Gourmet und sieht sich endlich in der Lage, den morgenländischen Fürsten zu einer zehntägigen Schlemmerei mit fünf verschiedenen Menüs täglich einzuladen. Dem gelüstet es nach der Königin aller Speisen, der Pastete Schöps Plum Pimpinelle mit den Herzen junger Gänse. Beim Einkauf des weiß gefiederten Rohmaterials stößt Jakob auf die sprechende Gans Mimi, die ihm erzählt, dass sie als Tochter des Kochs eines Magiers von der Fee Kräuterweis verwandelt worden ist. Beide Schicksalsverwandte freunden sich sogleich an und Mimi verhilft ihm zum Kräutlein Niesmitlust, das ihm noch fehlte für eine vollendete Königinpastete.

Während sich die aufeinander eifersüchtigen Herrscher eine veritable Tortenschlacht liefern, besiegt die Liebe zweier junger Menschen den Zauber der Fee: aus Zwerg Jakob wird ein prächtiger junger Mann und aus der Gans Mimi eine wunderschöne junge Frau (Angelika Herrmann). Beide eilen sogleich in die Stadt, um sich von seinen endlich wieder glücklichen Eltern in die Arme schließen zu lassen. Die Hexe dagegen muss tatenlos zusehen – und löst sich, dem Kräutlein Niesmitlust sei Dank, in Staub auf…

Die Defa-Adaption (PL Wolfgang Jürs) des gleichnamigen Märchens von Wilhelm Hauff, 1826 publiziert in seinem Almanach für Söhne und Töchter gebildeter Stände, ist am 30. Dezember 1978 im DDR-Fernsehen erstausgestrahlt worden. Aufwändig ausgestattet und gedreht von gleich vier Kameraleuten (Johanna Rothe, Hubertus Lehmann, Renate Müller und Joachim Bobey) verkehrt sie die Intention Hauffs ins exakte Gegenteil. Hatte der in „Zwerg Nase“ doch die Zersplitterung Deutschlands im Vormärz angeprangert und die Königinpastete nicht zufällig Souzeraine genannt, eine von allen Almanach-Lesern Mitte des 19. Jahrhunderts sogleich erkannte Anspielung auf die Suzeränität, die Oberhoheit eines Staates gegenüber eines anderen. Hauff war der Ansicht, nur durch einen starken, souveränen König könne die wirtschaftlich wie politisch verheerende Kleinstaaterei überwunden werden. Karl-Heinz Bahls Fernsehfilm nach einem Szenarium von Beate Hanspach schließt sich dem Kanon der in Babelsberg und Adlershof entstandenen Märchenfilme an: Der Herzog und der Fürst sind dekadente Überbleibsel einer im sozialistischen Deutschland glücklicherweise überwundenen Adelsgesellschaft, blaublütige Ausbeuter, die auf Kosten der Arbeiterklasse leben.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Darsteller

Alle Credits

Drehbuch

Darsteller

Länge:
75 min
Bild/Ton:
Orwcolor, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DD): 30.12.1978, DDR-TV

Titel

  • Originaltitel (DD) Zwerg Nase

Fassungen

Original

Länge:
75 min
Bild/Ton:
Orwcolor, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DD): 30.12.1978, DDR-TV