Insel der Schwäne

DDR 1982/1983 Spielfilm

Inhalt

Der vierzehnjährige Stefan kommt aus einem beschaulichen Dorf in das Neubaugebiet Berlin-Marzahn, wo sein Vater als Bauarbeiter tätig ist. Es wird gezeigt, wie sich dadurch Stefans Spektrum an sozialen Erfahrungen und Regeln erweitert. Er lernt den ängstlichen Hubert kennen und stößt auf "Windjacke", der hinter seiner Jovialität gegenüber Erwachsenen seine schikanöse "Politik der Stärke und Erpressung" Jüngeren gegenüber versteckt. Und er gerät zwischen zwei Mädchen, für die der "Kampf um den Jungen" eine Frage des Sozialprestiges ist. Stefan kommt in eine Klasse, in der das Miteinanderlernen ein merkwürdiges Routine-Ritual zwischen Schülern und Lehrerin geworden ist. Alles scheint flüchtiger, hektischer, lebloser zu sein, als es Stefan in seiner früheren dörflichen Umgebung gewohnt war.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Uckermärkische Seenlandschaft: Kein Laut ist zu hören in dieser norddeutschen Idylle. Zwei Jungs und ein Schäferhund auf einem Floß: Der vierzehnjährige Stefan muss sich von seinem besten Freund Tasso verabschieden, darf wie seine kleine Schwester Sabine nicht länger bei der Oma in ihrem reetgedeckten, auf einer Warft gelegenen Haus in Templin wohnen. Sondern muss in die anonyme, noch im Entstehen begriffene Plattenbausiedlung im Neubaugebiet Berlin-Marzahn ziehen, weil sein dort als Monteur beschäftigter Vater Hermann eine Vier-Zimmer-Wohnung zugeteilt bekommen hat. So ist die Familie Kolbe endlich vereint.

Der Blick aus dem 14. Stock auf die Lichter der Hauptstadt – und bei klarer Sicht auf den West-Berliner Funkturm - fasziniert Sabine, während Stefans erste Eindrücke von der neuen Umgebung negativer Natur sind: Zum einen flößt ihm ein älterer, nur „Windjacke“ genannter Nachbarsjunge mit seiner Art, gegenüber Erwachsenen zu buckeln und die Jüngeren zu treten, Angst ein. Zum anderen nervt der pedantische Hausmeister Bremer mit immer neuen Schikanen (Sperrung des Fahrstuhls) und Verboten. Stefan, der den Komfort der neuen Wohnung genießen lernt, kommt in der Schule gut zurecht. Er findet Anschluss bei Hubert, der auch in seinem Block wohnt, und wird von der attraktiven Anja umworben, was sogleich die Eifersucht ihrer Freundin Rita hervorruft.

Als der sonst so ängstliche Hubert aus Daffke den Löschwasser-Hahn des Wohnblocks öffnet und sogleich davonrennt, versucht Stefan vergeblich, die Wucht des herausströmenden Wassers zu bändigen. Erst Stefans Vater gelingt es, den Hydranten zu bezwingen. Weil Hubert große Angst vor seiner Mutter hat, nimmt Stefan die Schuld auf sich. Die Folge: Tadel der eigentlich verständnisvollen, der staatlichen Bürokratie jedoch ausgelieferten Klassenlehrerin Meinelt und Verschiebung der lang ersehnten Wochenendfahrt zur Oma nach Templin. So hat Stefan Zeit, die neue Umgebung kennenzulernen und wird von einem Angler mit Plötzen beschenkt, die Anja zu Fischsuppe zu verarbeiten verspricht. Sie wohnt bei einer Tante, weil ihre Eltern in Bagdad leben, wo ihr Vater als Handelsattaché der DDR tätig ist.

„Diplomaten-Kuh“ gegen „Prenzlauer-Berg-Zicke“: Mit den um ihn kämpfenden Mädchen besichtigt Stefan das Zentrum der Hauptstadt samt Schlittschuhlaufen im nagelneuen Sport- und Erholungszentrum SEZ in Friedrichshain, 1981 der weltweit größte multifunktionale Gebäudekomplex der Welt. Aber auch Ritas einstige Wohnung in einem zum Abriss vorgesehenen Altbau im Prenzlauer Berg. An ihrer Seite beteiligen sich Hubert, der seine Tat inzwischen eingestanden hat, und Stefan an der Altstoff-Sammelinitiative und ernten Spott von Windjacke und seiner Gang (Constantin Lukanoff, Ahmad Mesgarha, René Kalsene, Even Effenberger und Martin Lietz). Zum großen Show-Down zwischen Windjacke und Stefan, der sich die skurril-westlich kostümierten Rock-Gruppe „Ritter, Tod und Teufel“ als Schutzschild imaginiert, kommt es im Aufzugschacht des Rohbaus, in dem Hermann Kolbe arbeitet…

„Insel der Schwäne“ basiert auf dem gleichnamigen, 1980 erschienenen Roman von Benno Pludra. Claus Löser, Kurator der Reihe „Schon wieder Wohnungsnot – Der Kampf ums Dach über dem Kopf“ im November 2021 im Kino der Berliner Brotfabrik: „Einen Halbwüchsigen verschlägt es mit seinen Eltern aus der vertrauten, heimeligen Provinz in ein Berliner Neubaugebiet. Die Heranwachsenden sind dort weitgehend sich selbst überlassen, die Erwachsenen haben mit sich zu tun und treten nur wenig in Erscheinung, menschlich wie baulich ist die Atmosphäre unwirtlich. Hinzu kommt jugendtypisches Mobbing. Wenig überraschend, bekam der Film auf Grund seines wenig erfreulichen Blicks auf die sozialistische schöne neue Welt Probleme mit der Zensur, konnte erst nach diversen Änderungen aufgeführt werden und wurde dann in den DDR-Medien teils heftig angegriffen.“

„Verstellte Sicht auf unsere Wirklichkeit“ war eine persönlich beleidigende Abrechnung des Chefkritikers Horst Knietzsch mit dem Szenaristen Ulrich Plenzdorf im SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ (vom 4. Mai 1983) betitelt, nachdem die „Hauptverwaltung Film“ genannte Zensurbehörde des Kulturministeriums generell das „Betontrauma“ und speziell das Vater-Sohn-Verhältnis kritisiert hatte. Das spektakuläre Finale im Fahrstuhlschacht musste, weil zu brutal fürs Zielpublikum, entschärft werden. Dennoch erhielt Monika Lennartz beim 3. Nationalen Spielfilmfestival der DDR im Mai 1984 in Karl-Marx-Stadt den Preis als beste Nebendarstellerin zusammen mit Simone von Zglinicki (im Eröffnungsfilm „Erscheinen Pflicht“ von Helmut Dziuba).

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Szenarium

Dramaturgie

Kamera-Assistenz

Bauten

Bau-Ausführung

Schnitt

Mischung

Produktionsleitung

Länge:
2417 m, 89 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 28.04.1983, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Insel der Schwäne

Fassungen

Original

Länge:
2417 m, 89 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 28.04.1983, Berlin, International

Auszeichnungen

Nationales Spielfilmfestival der DDR 1984
  • Beste Nebendarstellerin (ex aequo >Erscheinen Pflicht<)