Hotel

Österreich Deutschland 2003/2004 Spielfilm

Endlich im Kino – der neue Film von Jessica Hausner


Kai Mihm, epd Film, Nr. 06, 2006

Elf Jahre nachdem Lars von Trier seinen Dogma-Fluch in die Welt geschickt hat, haben wir uns daran gewöhnt, dass die visuelle Nachlässigkeit manch junger Film- bzw. Videomacher als ästhetisches Konzept durchgeht. Und seit der Einfluss des US-Fernsehens durch innovative Serien an Bedeutung gewinnt, gleicht die Dramaturgie von Filmen wie "Syriana" und "L.A. Crash" in ihrem Drei-Minuten-Takt eher dem Schema einer Fernsehserie als dem eines "klassischen" Kinofilms (und nein: mit dem Altman-Meisterwerk "Short Cuts" lässt sich das nicht vergleichen!)

Welch ungewohnte Wohltat ist es da, einen Film wie "Hotel" zu sehen. Die zweite Kinoarbeit der Österreicherin Jessica Hausner ("Lovely Rita") ist auf Filmmaterial gedreht, konzentriert sich auf eine einzige Hauptfigur, verharrt in langen, statischen Einstellungen und lässt damit die überaus bewussten Bildkompositionen zur Wirkung kommen.

"Hotel" erzählt von einer jungen Frau namens Irene, die in einem österreichischen Waldhotel als Rezeptionistin anfängt. Von Beginn an liegt eine nicht greifbare Atmosphäre des Misstrauens über dem Geschehen. Irenes Kollegen sind wortkarg, stoisch und abweisend, ihre Vorgängerin ist auf mysteriöse Weise verschwunden, und in der Gegend erzählt man sich seit Jahrhunderten von der Existenz einer mysteriösen Waldhexe. Das klingt alles irgendwie bekannt und zunächst glaubt man, die Sache würde auf eine Art "Shining"-meets-"Blair-Witch-Project" hinauslaufen. Es dauert allerdings nicht lange, bis man merkt, dass Hausners Film weniger als Gruselstory funktioniert, sondern vielmehr als eine Reflexion klassischer Motive des "Unheimlichen". Vom abgelegenen Spielort und den merkwürdigen Nebenfiguren über den dichten, ebenso faszinerenden wie furchteinflößenden Wald bis hin zu der minimalistischen, präzise gestalteten Tonspur und den labyrinthischen, verlassenen Korridoren des Hotels bindet Hausner so ziemlich jedes Schlüsselelement des Genres in ihre Inszenierung ein.

"Hotel" ist ein strenger, spröder Film, der sich für eine im konventionellen Sinn "spannende" Geschichte oder eine "Psychologisierung" der Figuren nicht näher zu interessieren scheint – wenngleich Hausner hervorragend mit Schauspielern umzugehen versteht.

"Hotel" lebt von der Kraft und der Präzision seiner stilisierten Bilder, von Hausners Gespür für Räume und Lichtstimmungen: allein über die Inszenierung unterschiedlichster Lichtquellen – ein Fahrstuhlknopf, die Spiegelung von Neonröhren im Swimming-Pool – eröffnet sie einen ganz eigenen Kosmos.

In den stärksten Augenblicken fühlt man sich dabei an die Arbeiten des Foto- und Filmkünstlers Thomas Demand erinnert. Ähnlich wie in dessen Werken führt die eigenartige Mischung aus "Realismus" und absoluter Künstlichkeit dazu, dass man beginnt, das Klischee der abgebildeten Situation zu hinterfragen. Und selbst wenn Hausners Tableaus in den schwächeren Momenten akademisch und manieriert wirken, muss man sie doch bewundern für die kompromisslose Umsetzung ihrer Vision. Es ist allerdings bezeichnend für unsere Filmkultur, dass es ganze zwei Jahre gedauert hat, bis ihr Film seinen Weg nun auch in die deutschen Kinos findet.

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