Ein Mann geht durch die Wand

BR Deutschland 1959 Spielfilm

Wunder der Optik

"Ein Mann geht durch die Wand"



Kurt Weinhold, Kölner Stadt Anzeiger, 17.10.1959

Das ist ein feiner, stiller Rühmann. Beamter dritter Klasse in der Mahnabteilung des Finanzamtes. Liebt seine Ruhe und die abendliche Wanderung in ferne Länder, an Hand seines Briefmarkenalbums. Manchmal geht er einfach durch die Wand. Man kann"s ihm nachfühlen. Es gibt Augenblicke für jeden, wo er"s möchte…Nur, Rühmann geht wirklich. Er tut"s nicht gern; es kostet ihm jedes Mal Überwindung. Einesteils aus Gründen der Schicklichkeit, zum andern aus Materialkenntnis. Man sieht, wie er vor der Aktion den Kopf einzieht. Es muß ja weh tun, auf Kalk und Ziegelsteine zu stoßen. Aber dann ist die Wand doch immer wieder wie Pudding…

Spannend und – für den deutschen Film – besonders rühmlich, wie hier der Regisseur Ladislao Vajda ("Der Hund, der Herr Bocci war") den optischen Spaß in knappen Grenzen hält. Immer bleibt der Vorgang nur Pointe oder Ausweg einer geistig-seelischen Zwangslage. Vajda hält sich weit hinter der Maßlosigkeit jäh einsetzender Wunschträume zurück.

Herrlich, wie Rühmann sich geniert, für anomal zu gelten. Nur wenn"s niemand sieht, dringt er auf seine, nun eben doch nicht recht gesunde Weise in die Wohnung der still verehrten Nachbarin (Nicole Courcel) ein, einer Witwe mit Kind, beide reizend und französisch radebrechend. Und dort nach dem Rechten zu sehen, einen Damenstrumpf zärtlich und ordentlich über die Stuhllehne zu hängen oder der Kleinen ein wenig Marzipan auf den Nachttisch zu legen. Aber er bringt es, trotz bohrender Eifersucht, nicht fertig, den Kopf durch die Wand zu stecken, wenn drüben männlicher Besuch zu vermuten ist.

So lässt er sich auch einsperren, obwohl das natürlich Humbug ist – bei seinen Gaben! – aber er holt sich Kopfkissen und Steppdecke aus dem Schlafzimmer des Gefängnisdirektors, um es in seiner Zelle so behaglich zu haben, wie es einem unschuldigen Mann zukommt.

Ein bisschen genießt er es dann doch, geheimnisvoller Supermann und Held von Schlagzeilen zu sein. Ein wenig schnappt er sogar über, im Banktresor, auf den (viel zu schweren) Godbarren sitzend. Aber insgesamt bewährt sich seine Vernunft, so wie er schließlich und endlich gegen die Schikanen seines Bürochefs (Hubert von Meyerinck) Front machte.

Das ist beinahe eine Chaplinade. Dieses neue Märchen im Alltag erscheint in mancher Hinsicht noch geglückter als Vajdas erster Film, die Verwandlung eines bösen Hausbesitzers in einen schlappohrigen Schlächterhund. Das Wunder der Wanddurchquerung wird optisch nachgewiesen, den Hund damals musst man glauben, wenn er auch ziemliche Ähnlichkeit mit dem Hauptdarsteller Ustinov hatte. Das Happy-End gehört ins filmhistorische Museum: es ist nicht sicht-, sondern nur hörbar: ein Schluckauf hinter der Tür.

So hübsch, so leise ist der Film. Und sogar die finanzamtliche Krähwinkelei wird ein wenig transparent. Der große Charakterspieler Rühmann versöhnt auch diesmal mit seinem Typ. Der "kleine Mann" – er ist uns lieb und wert.

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