Bettina

Deutschland 2021/2022 Dokumentarfilm

Summary

A biography set in East and West Berlin about the life of a defiant woman who unites the political and the private in the poetry of her song lyrics. Bettina Wegner is often reduced to just one of her many songs, "Sind so kleine Hände” ("Children") and her collaboration with Joan Baez. But here in Lutz Pehnert’s portrait she is given the space she deserves. Taken to court at the age of 21 for protesting against the violent end of the Prague Spring, she soon became part of the lively music and literature scene around Thomas Brasch and her husband Klaus Schlesinger, all the while pursuing her critical stance as an individual and as an artist.

In her husky voice, she describes – even humorously – her inner turmoil and her determination not to give up her home in the GDR, even when she was no longer wanted there. Written in 1980, her song "Über Gebote" ("About Rules") serves Pehnert as a narrative thread while he uses archive material from East and West Germany, audio recordings from her trial as well as Wegner’s own words and music to guide us through her life. In this way, the film gives a new audience the chance to discover singer-songwriter Bettina Wegner – who really only ever wanted to sing love songs.

Source: 72. Internationale Filmfestspiele Berlin (Catalogue)

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Sind so kleine Hände, winz’ge Finger dran. Darf man nie drauf schlagen, die zerbrechen dann“: Mit ihrem Lied „Kinder“, bei ihrem ersten Auftritt in West-Berlin 1978 im Künstlerhaus Bethanien vorgestellt, wird die 1947 in Lichterfelde geborene Berlinerin Bettina Wegner schlagartig in der Bundesrepublik bekannt, der auf LP gepresste Konzertmitschnitt „Sind so kleine Hände“ ein großer Erfolg - wie auch der Nachfolger „Traurig bin ich sowieso“.

„Stalin war wie Gott": Bis dahin, aufgewachsen als Tochter eines Journalisten in einem SED-treuen familiären Umfeld in Pankow, ist die Bibliotheksfacharbeiterin, Schauspielerin und Mitbegründerin des FDJ-Oktoberklubs nur in intellektuellen Kreisen der Hauptstadt der DDR ein Begriff – vor allem für melancholische Liebeslieder. Politisiert wird sie zum einen durch die Beteiligung der Nationalen Volksarmee an der gewaltsamen Niederschlagung des „Prager Frühlings“ um den Reformer Alexander Dubček. Weil sie „Zettelchen“ gegen den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen am 21. August 1968 geschrieben hat, wird sie wegen „staatsfeindlicher Hetze“ verurteilt: Bewährung in der Produktion in den Elektro-Apparate-Werken (EAW).

Endgültig, inzwischen hat Bettina Wegener den Schriftsteller und Musiker Klaus Schlesinger geheiratet, auf der Abendschule Abitur gemacht und ihre Ausbildung als Sängerin am Zentralen Studio für Unterhaltungskunst mit einem Diplom abgeschlossen, schließt sie durch die Ausbürgerung Wolf Biermanns mit dem SED-Regime ab. Nachdem sie im November 1976 eine Petition prominenter Künstler und Intellektueller dagegen unterzeichnet hat, darf sie in der DDR nicht mehr auftreten. 1983 vom DDR-Kulturministerium aufgefordert, das Land zu verlassen unter Androhung eines Ermittlungsverfahrens wegen „Verdachts auf Zoll- und Devisenvergehen“ bezieht sie ein Haus im äußersten Nordwesten West-Berlins, in Frohnau unweit des antifaschistischen Schutzwalls.

Was kein Zufall ist: Bettina Wegner will im Westen keine Wurzeln schlagen trotz großer Erfolge wie dem gemeinsamen Konzert mit Joan Baez in der Waldbühne. Es wirkt wie ein Befreiungsschlag, als sie im Dezember 1989 gemeinsam mit anderen ausgebürgerten Liedermachern zum ersten Mal wieder in der DDR auftreten kann, im Berliner „Haus der jungen Talente“. Fortan engagiert sie sich politisch, gehört 1992 zu den Mitunterzeichnern des Appells zur Gründung des Komitees für Gerechtigkeit. Und sozial, sie gibt seit 2003 immer wieder Benefizkonzerte für das Kinderhospiz „Sonnenhof“. Im Dezember 2007 nimmt sie offiziell Abschied von der Bühne.

„Zehn Gebote für mein Leben als die letzte Waffe“: Lutz Pehnert, als Sohn des stellv. DDR-Kulturministers selbst in einem staatstreuen Umfeld aufgewachsen und später Redakteur des auflagenstarken FDJ-Zentralorgans „Junge Welt“, entlockt der 73-jährigen Bettina Wegner bei einem zweitägigen, bewusst in Schwarzweiß gedrehten Interview in Frohnau überraschende Bekenntnisse wie das, eine gläubige Christin zu sein.

„Wenn ich ein Vöglein wär“: Gerahmt von jugendbewegten Szenen aus dem Mauerpark und Archivmaterial wie Prozessakten und von ihr selbst getippten Stasi-Protokollen gibt eine stark berlinernde Bettina Wegner mit einer großen Portion Selbstironie und verblüffend selbstverständlicher Offenheit intime Details aus ihrem an Brüchen reichen Leben preis. Von ihrer großen Liebe zu Thomas Brasch, der als Familienvater hoffnungslos überfordert gewesen ist, von anderen „illustren“ Männergeschichten etwa mit Oscar Lafontaine, weil der Stalins Lieblingslied auf Georgisch singen konnte.

„Aufrecht stehn, wenn andre sitzen / Lauter schrein, wenn andre schweigen“: Die Zwischentitel dieser Hommage, die glatt als auf vielfache Weise anrührendes „Bettina-Musical“ durchginge, entstammen Wegners Lied „Gebot“. Lutz Pehnert am 2. Oktober 2022 im Berliner „Tagesspiegel“: „Die erste, schönste und auch herausforderndste Arbeit an diesem Film war, mir die Lieder von Bettina Wegner anzuhören. Nächtelang. Immer wieder. Ich habe mich in diese Lieder verliebt, dabei gestrahlt, gekämpft und geheult. Ich bin auch in ihnen zusammengebrochen, weil sie etwas geschafft haben: mein Leben an ihnen zu messen. Oder mich ganz einfach zu fragen: Was ist mit dir, was hast Du gewollt, was hast Du verloren? Das war mein Start in den Film.“ Free-TV-Premiere ist am 9. November 2022 im „Dritten“ des Rundfunks Berlin-Brandenburg.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Shoot

    • Berlin
Duration:
107 min
Format:
DCP, 16:9
Video/Audio:
Farbe + s/w, Stereo
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 14.02.2022, 212029, ohne Altersbeschränkung / feiertagsfrei

Screening:

Uraufführung (DE): 13.02.2022, Berlin, IFF - Panorama;
Kinostart (DE): 19.05.2022

Titles

  • Originaltitel (DE) Bettina
  • Arbeitstitel (DE) Bettina Wegner - Hoffnung haben beim Ertrinken

Versions

Original

Duration:
107 min
Format:
DCP, 16:9
Video/Audio:
Farbe + s/w, Stereo
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 14.02.2022, 212029, ohne Altersbeschränkung / feiertagsfrei

Screening:

Uraufführung (DE): 13.02.2022, Berlin, IFF - Panorama;
Kinostart (DE): 19.05.2022

Awards

Deutscher Dokumentarfilmpreis 2023
  • Musikpreis des SWR, Musik
moving history - Festival des historischen Films Potsdam e.V. 2022
  • CLIO
Filmkunstmesse Leipzig 2022
  • Gilde Filmpreis (>ex aequo< Der Waldmacher), Bester Dokumentarfilm
HEIMAT EUROPA Filmfestspiele 2022
  • Publikumspreis
IFF Berlin 2022
  • Preis der FIPRESCI-Jury