Goldene Zeiten - feine Leute

DDR 1974/1975 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
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Der vom Defa-Studio für Spielfilme (PL Hans Mahlich) für das Fernsehen der DDR gedrehte und erstmals am 8. und 10. April 1977 ausgestrahlte Zweiteiler entstand auf der Basis des 1969 bei Schneekluth in München erschienenen Buches „Krupp – Die Geschichte eines Hauses. Legenden und Wirklichkeit“ des linken westdeutschen Autors Bernt Engelmann (1921 – 1994), einem Grenzgänger zwischen Ost und West mit bis heute unbewiesenen Stasi-Kontakten. Der erste Teil („Fritz und Willi“) erzählt den Aufstieg und Fall des „Kanonenkönigs“ Friedrich Alfred Krupp, der den Wilhelminischen Zeitgeist dazu nutzte, kräftig an der Armee-Aufrüstung zu verdienen. Der zweite Teil („Der Mann nach Maß“) zeigt die Etablierung Gustav Krupps von Bohlen und Halbach an der Seite der Alleinerbin Bertha Krupp nach dem Freitod Friedrich Alfred Krupps.

Kaiser Wilhelm II., den Hannjo Hasse als forschen, zackigen, gradlinigen preußischen Militär gibt, der ab und an auch seine jovialen Seiten offenbart, beklagt seit längerem, dass Deutschland nicht dabei war, als sich die europäischen Großmächte den kolonialen Kuchen unter sich aufteilten. So soll Flottenchef Tirpitz (Wolfgang Greese) bald Herr über eine Armada werden können, welche die Weltmeere beherrscht und den flugs zu (Erz-) Feinden erklärten Konkurrenten um wichtige Rohstoffmärkte außerhalb Europas Paroli bieten kann.

Der Blick der Hohenzollern aus Berlin richtet sich gen Westen, genauer gesagt nach Essen. Friedrich Krupp (1787 - 1826) hatte den Grundstein für ein Industrieimperium gelegt, sein Sohn Alfred Krupp (1812 - 1887) baute es konsequent aus und konnte nicht nur die modernste, sondern auch die größte deutsche Gussstahlfabrik eröffnen. Der später durchaus respektvoll „Kanonenkönig“ genannte Friedrich Alfred Krupp (Rolf Hoppe) dagegen musste zum Antreten dieses (groß-) väterlichen Erbes gezwungen werden: Er wollte eigentlich Wissenschaftler werden und hat zeitlebens etwa den in Neapel residierenden Meeresforscher Anton Dohrn großzügig unterstützt.

An Rhein und Ruhr entstand eine Waffenschmiede großen Stils, nachdem Kohle und Stahl im rasch prosperierenden Ruhrgebiet eine vielversprechende Ehe eingegangen sind. Apropos Ehe. Friedrich Alfreds Gattin Margarete Krupp, die Inge Keller mit kühler Eleganz verkörpert, ist nicht nur mit einem enormen Selbstbewusstsein ausgestattet, sondern auch mit dem richtigen Riecher fürs Geschäft. Sie spielt mit großem Raffinement auf der Klaviatur der Mächtigen in Wirtschaft und Politik. Was auch ein Grund dafür sein mag, dass sich Friedrich Alfred Krupp in naturgemäß nicht geheim bleibende (homo-) sexuelle Affären in der Kruppschen Villa auf Capri, im ersten Haus am Platze, dem Hotel Quisiana auf der italienischen Insel im Golf von Neapel sowie im Berliner Luxushotel Bristol flüchtet. Auch andere Affären belasten das Verhältnis zwischen Fritz und Willi, wie sich die Freunde Friedrich Alfred und Friedrich Wilhelm im privaten Rahmen nennen. Doch in welch' dunkles Nest Kriminalassessor von Köckeritz (Benjamin Besson) auch sticht, etwas Konkretes, Justitiables kommt nicht dabei heraus.

Ausgerechnet die sozialdemokratische Parteizeitung „Vorwärts“ publiziert in reißerischer Aufmachung bis heute unbewiesene Gerüchte italienischer Blätter, die „Via Krupp“ auf Capri führe zu einer regelrechten homosexuellen Lasterhöhle: Sieben Tage später, am 22. November 1902, ist der noch nicht fünfzigjährige, seit langem unter Depressionen leidende Hausherr auf Villa Hügel tot, „Gehirnschlag“ lautet die offizielle Version. Kaiser Wilhelm II. hält im Dezember in Essen eine historische Begräbnisrede, gespickt mit Drohungen gegen die „inneren Feinde“ des Reiches, mit denen unschwer auch die Sozialdemokraten gemeint sind.

Vier Jahre nach dem (Frei-) Tod ihres Vaters wird die zwanzigjährige Bertha Krupp, die Heidemarie Wenzel zunächst als verwöhnte Millionärstochter verkörpert, Alleinerbin und damit reichste Privatunternehmerin Europas. Der Kaiser ist ebenso wie Mutter Margarete Krupp daran interessiert, sie so rasch wie möglich unter die Haube zu bringen. Der mit der Ehevermittlung beauftragte Diplomat von Trautwein (Wolf Kaiser) nutzt die Verbindungen des Auswärtigen Amtes und arrangiert in Rom die Verlobung Berthas mit einem Legationsrat an der deutschen Botschaft im Vatikan, dem später vom Kaiser persönlich geadelten Gustav Krupp von Bohlen und Halbach (Ekkehard Schall).

Bertha, die nach der Hochzeit im Oktober 1906 alsbald in die Rolle einer ganz selbstverständlich-souveränen Wirtschaftsmagnatin mit politischen Ambitionen hineinwächst, stutzt sich ihren nur „Taffi“ genannten Gatten als „Mann nach Maß“ zurecht: ein eher kleinbürgerlicher Bourgeois mit ebenso großer Attitüde nach außen wie Unterwürfigkeit nach innen. Kaiser Wilhelm lotst Alfred Hugenberg (Horst Hiemer) in den Krupp-Aufsichtsrat und als 1912 die Hundertjahrfeier des Unternehmens ansteht, fühlt sich das Kaiserreich für einen Waffengang gerüstet...

Obwohl Mitte der 1970er Jahre erst die wenigsten DDR-Bürger über ein modernes Fernsehgerät verfügten, wurde dieser Zweiteiler auf Schloss Hluboka in der CSSR, im Schweriner Schloss sowie in Potsdam-Sanssouci sehr aufwändig in Farbe gedreht (Szenenbild: Harry Leupold). Was dem ideologischen Hintergrund dieser „historischen Fernsehkomödie“ zu verdanken ist, den Regisseur Kurt Veth (1930 – 2012) in der populären DDR-Illustrierten „filmspiegel“ (6/1977) so beschrieb: „Die Darstellung des Gesichts der herrschenden Klassen, die einst das Leben unserer Väter und Großväter mitprägten, gehört – wie ich meine – zur Aufarbeitung der Geschichte, aus der wir kommen.“

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Duration:
165 min
Video/Audio:
Ton
Screening:

TV-Erstsendung (DD): 08.04.1977, DDR-TV [Teil 1];
TV-Erstsendung (DD): 10.04.1977, DDR-TV [Teil 2]

Titles

  • Originaltitel (DD) Goldene Zeiten - feine Leute
  • Abschnittstitel (DD) 1. Fritz und Willi. - 2. Der Mann nach Maß.

Versions

Original

Duration:
165 min
Video/Audio:
Ton
Screening:

TV-Erstsendung (DD): 08.04.1977, DDR-TV [Teil 1];
TV-Erstsendung (DD): 10.04.1977, DDR-TV [Teil 2]