99euro-films

Deutschland 2001 Episodenfilm

Lustzustand



Oliver Baumgarten, Schnitt, Frühjahr 2002


Braucht der Film Regeln? Braucht die Kommunikation einer Stimmung standardisierte Bilder, braucht das Erzählen einer Geschichte eine Einheitsdramaturgie? Der Mainstream schon, aber es geht auch anders. "99 Euro Films" ist der eigentliche Beweis dafür, daß es dem deutschen Film besser zu gehen scheint. "99 Euro Films" vermag es, herrlich subversiv zu sein, weil er in der glücklichen Lage ist, auf dem Rücken einheimischer konformistischer Produktionen herumzutanzen, deren Abhängigkeiten er sich selbst versagen kann. Der Dadaismus von Martin Walz, die Bildverweigerung von Sebastian Beer, die dramaturgische Lostrommel von RP Kahl, die Befreiung von formalistischer Strenge bei Matthias Glasner, der gesteigerte Irrwitz bei Mark Schlichter sind deshalb eine Wonne, weil sie sich gegen den zur Regel gewordenen Verkaufszwang stemmen. "99 Euro Films" sind Bilder reinen Lustzustands, Zeugnisse spontaner Launen. Es geht nicht um die Erfüllung eines Dogmas, sondern gerade darum, allen Dogmen zu entsagen. Albern zu sein (Petersen), verliebt zu sein (Lohmeyer), ein Statement loszuwerden (Klier) oder einfach nur eine Alltagsepisode zu schildern (Schlaich), ohne sich darum zu scheren, ob dies irgend jemanden interessiert oder nicht. Film nicht als Anbiederung an ein anvisiertes Publikum, sondern als individueller Ausdruck einer Persönlichkeit: Das ist es letztlich, was ein unabhängiges Kino auszeichnet. Der befreite und manchmal extrem aufgedrehte Spaß, den die Filmemacher bei ihren Episoden hatten, ist jedem Bild anzusehen, und ob einem dieses (für Macher und Zuschauer) fast kathartische Projekt nun zusagt oder nicht, so bleibt nach "99 Euro Films" doch erleichtert festzustellen: Es gibt ein deutsches Independent Kino.

© Oliver Baumgarten

Rights statement