Der Januskopf

Deutschland 1920 Spielfilm

Schrecken

Dr. Jekyll und Mr. Hide


Martin Proskauer, Film-Kurier, Nr. 89, 29.4.1920


Das Thema des phantastischen Films ist seit geraumer Zeit beliebt, und damit hat die Filmkunst einen guten Schritt vorwärts getan, denn er führte in unbestelltes fruchtbares Gebiet. Wir haben die "Nachtgestalten" gesehen, die "Unheimlichen Geschichten", "Das "Kabinett des Dr. Caligari", den Film ""Der Andere" (nach dem Roman von Lindau) und mit diesem letzten sind wir auf den unmittelbaren Vorläufer des "Schrecken" gekommen. Denn dieser Film ist aufgebaut auf der Handlung des weltbekannten Romans von Stevenson "Dr. Jekyll und Mr. Hide".

Bekanntlich ist Jekyll und Hide ein und dieselbe Person, ein Londoner Gentleman, der dem geheimnisvollen Zwang einer Doppelnatur folgend, zeitweise in den Paroxysmus eines wilden Tieres verfällt und im Dämmerzustand grausige Taten begeht. Diese Aufgabe, den korrekten Mann höheren Standes und den besessenen Verbrecher darzustellen, mußte manchen Darsteller reizen. Hier ist Konrad Veidt der Träger der Doppelrolle. Und er füllt sie aus, er lebt in ihr, wie es wohl kein anderer deutscher Schauspieler vermag. Man kann bereits im phantastischen Film zwei Typen von Hauptrollen unterscheiden, den hysterischen, gleichsam unter hypnotischem Zwang stehenden Mann und den Epileptiker, den organisch Kranken. Der erste Typ wird vollendet von Veidt verkörpert, wie ihn auch seine äußere Erscheinung dazu prädestiniert (man denke an den Somnambulen im "Caligari"), der andere Charakter ist eigenstes Gebiet von Werner Krauß ("Dr. Caligari", Smerdjakoff in den "Brüdern Karamasoff").

Hier im "Schrecken" spielt also nur Veidt. Man ist gepackt und gespannt, selbst wenn man alle Weiterentwicklungen der Fabel kennt, man will sehen, wie er die immer stärkeren Schwierigkeiten der gewaltigen Doppelrolle besiegt. Denn Veidt spielt, er spricht mit dem Körper, mit den Händen (Ihr andern, lernet doch von ihm die Sprache der Hände), nicht mit dem Mund. Veidts Können ist so groß, daß er sogar auf das lauernde Kuschen, die eine Schulter voran, verzichten sollte, denn diese Haltung fängt an, Schema zu werden: ich sah sie noch in jedem phantastischen Film. Aber trotzdem, wenn Veidt so etwas macht, so hebt er es wieder aus dem Konventionellen heraus zu individueller Bedeutung.

Eine Szene, wie die in er Wohnung des Mr. Hide, als der Besessene die zarte Grace betastet, sie dann laufen läßt, sich an ihrer Angst weidet, ihr befiehlt, zum Trinken zu holen und den Mantel anzuziehen, wie da alles in den Händen liegt, diesen zuckenden, gierigen Gliedern – dies ist pantomimische Kunst im besten Sinne. (...)

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