Wenn du groß bist, lieber Adam

DDR 1965 Spielfilm

Scharfsinnige Wachträume


Rolf Richter, Filmspiegel, Berlin, Nr. 1, 1991


(…) Egon Günthers "Wenn du groß bist, lieber Adam" ist auf andere Weise und in anderer Richtung ein Vorstoß. Günther bewegt sich auf der Suche nach einer Komödie. Er hatte gerade in "Lots Weib" den Thälmanndarsteller Günther Simon in der Rolle eines Kapitäns gezeigt, der seine Ehe als einen Platz zum Ausruhen und Ausschlafen betrachtet, eine freche Besetzung und eine in der Zielrichtung aufsässige Geschichte. Danach stellt er nun in einem scheinbaren Kinderfilm die Frage nach dem Verhältnis von Wahrheit und Lüge, wohl wissend, daß dies die verwundbare Stelle der damaligen Gesellschaft war. Er wählt eine Geschichte (Buch Helga Schütz), wo es nicht möglich ist, auszuweichen. Wenn man eine Lampe auf einen Menschen richtet, der spricht, muß er sich – falls er lügt – in die Luft erheben. Bei einer solchen Konstellation hätten die Zuschauer jedes Schummeln des Regisseurs sofort bemerkt. Sie hätten auch eine Auswahl harmloser Situationen übelgenommen. Allerdings eine wichtige Szene wurde damals gar nicht erst gedreht: die Vereidigung der Rekruten. Man stelle sich das Bild vor: eine Kompanie von Soldaten erhebt sich in die Luft, weil sie dem Fahneneid innerlich nicht zustimmt.

Aber im Film waren immer
noch genügend Ungeheuerlichkeiten, um sogar dem heutigen Publikum Spaß an den Aufsässigkeiten zu vermitteln. Der Film machte eine ausreichende Zahl von Tabus öffentlich und war durchaus eine Mutprobe und wirkt deshalb auch heute noch so unbekümmert und frisch. Szenen, die damals wegen zu großer Waghalsigkeit von den Zensoren entfernt wurden, zitiert der Regisseur mit Maschinenschrift aus dem Drehbuch und schafft so ein zusätzliches Lehrstück vom schwierigen Umgang mit der Wahrheit. Der Film wirkt auch deshalb so heiter, weil die Angriffe nicht bösartig oder auch überscharf vorgetragen werden, sondern mit spielerischem Spaß. Die Figuren sind selbst überrascht über ihre Entlarvung, es liegt eine heitere Stimmung über dem Film, als sei es möglich, von all den Schwindeleien und Lügen und falschen großen Worten zu lassen, als sei man vielleicht schon dabei, sich davon zu verabschieden, als müsse nach diesem Spiel nun doch etwas anderes kommen. Ein französischer Kritiker entdeckte in diesem Film französische Heiterkeit. "Wenn du groß bist, lieber Adam" hätte vielleicht einen Weg für andere DEFA-Komödien freimachen können. So verschwand der Film 1965 in einer dunklen Ecke des Archivs, in einer preußischen Dunkelkammer, und mahnt uns jetzt, daß es schon wieder keine Komödien über uns gibt, obwohl man doch gerade jetzt Komödien schreiben und drehen sollte. Egon Günther inszenierte danach bei der DEFA noch einige Filme, es waren unter ihnen wieder versteckte Komödien, die Nähe zu ernsten Tonlagen, ja zum Tragischen verdeckte aber das Komische doch immer wieder. (…)

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