Vergeßt mir meine Traudel nicht

DDR 1957 Spielfilm

Ernstes und Heiteres dicht beieinander


Winfried Junge, Forum, Berlin/DDR, Nr. 27, 1957

Über diesen heiteren Gegenwartsfilm der DEFA lacht man viel und herzlich; manchmal wird es jedoch auch ganz still im Zuschauerraum. Für ein deutsches Lustspiel herkömmlicher Art wäre das ein sehr schlechtes Zeichen, denn nichts ist peinlicher, als wenn den Witzemachern, von denen man für gutes Geld ein pausenloses Trommelfeuer aufs Zwerchfell erwartet, ab und an die Munition ausgeht. Für unseren DEFA-Film hingegen ist da gar nichts peinlich, denn die Stille, die dieser ungewöhnliche Streifen mitunter auslöst, ist künstlerisch beabsichtigt. Tritt sie ein, so nähern wir uns oft einem seiner schönsten Momente. Denn das ist das Besondere an ihm: Er ist nicht nur dann stark, wenn Tränen gelacht werden, er ist es auch, wenn es Tränen der Rührung gibt, keiner sentimentalen Rührung freilich, aber einerechten und menschlichen Rührung. "Vergaßt mir meine Traudel nicht" ist vom ersten bis zum letzten Meter interessant, lebenswahr und voll tiefen Humors; es ist ein ausgezeichneter Film.

Eine Liebesgeschichte wird erzählt – die Geschichte von dem aus einem Jugendpflegeheim ausgebrochenen, elternlosen Mädchen Traudel und dem Volkspolizisten Hannes Wunderlich, der der steckbrieflich Gesuchten beisteht und sie vor den Augen des Gesetzes verbirgt. Obwohl es sich hier eindeutig um eine Lustspielsituation handelt, verzichteten die Schöpfer darauf, den Film als Ganzes eine Komödie zu nennen. Sie mögen sich aus zwei Gründen dazu entschlossen haben. Einmal – und davon soll noch die Rede sein – aus Respekt vor dem ernsten Hintergrund, den das kleine Geschehen hat: Das sind die Probleme von Krieg und Nachkrieg, das sind die nicht wegzudenkenden Schatten einer furchtbaren Vergangenheit. – Zum anderen, um unser Publikum nicht zu irritieren. Man muß nämlich einkalkulieren, daß die landläufige Vorstellung von "Komödie" eine andere ist als die, die unserer "Traudel" zugrunde liegt. Diese Vorstellung ist das schlimme Resultat unzähliger seichter Lustspielschmarren. – Komödie ist, so drückte es Regisseur Prof. Maetzig einmal drastisch aus, wenn Grethe Weiser mit dem Hintern in der Schlagsahne sitzt – womit weniger gegen Grete Weiser, aber alles gegen die Schlagsahnen-Filmfabrikanten gesagt ist.

"Vergeßt mir meine Traudel nicht" besinnt sich auf bessere Traditionen und Vorbilder. Ohne auch nur im entferntesten eine Nachahmung zu sein, zeigt der Film viele von jenen wertvollen Wesenszügen, die italienischen Lustspielen eigen sind. Hier wie dort ein glücklicher Griff ins Leben, Volkstümlichkeit, Gegenwartsnähe, genaue Menschenbeobachtung, – hier wie dort Ernstes und Heiteres dicht beieinander. (…)

Regisseur Kurt Maetzig stellt uns mit der "Traudel" seinen ersten heiteren Film vor. Das ist mehr ein Plus als ein Minus, denn statt billiger Routine finden wir hier eine glückliche Verbindung von Experimentierfreude, Erfahrung, und Einfallsreichtum. Die Skala der Stimmungen, die der Film erweckt, ist weit und reicht vom unbeschwerten Lachen über das Mitleid bis zu tiefer Nachdenklichkeit. Da gibt es die verschiedensten Stilelemente. Groteskes findet sich neben Rührendem, Satirisches neben harmlos Komischem. Es ist das große Verdienst des Regisseurs, trotzdem ein geschlossenes Kunstwerk anzubieten.

Der positive Gesamteindruck läßt kleine Schönheitsfehler des Films verblassen; deshalb sollte ihnen auch nicht allzuviel Bedeutung beigemessen werden. Angeführt sei nur, daß manche großartige Dialogszene (siehe Anfangsszene auf der Chaussee) durch unnötige Länge und eine gewisse Steifheit im Spiel an Spritzigkeit verliert und daß sich unter das viele Originelle auch ab und zu einmal eine vermeintliche Pointe oder ein überholter Gag mischt.

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