Aprilkinder

Deutschland 1998 Spielfilm

Nachtclub oder Fleischfabrik?

Schweigendes Arrangement mit den vorgegebenen Rollen oder halbstarkes Aufbegehren – in seinem Spielfilmdebüt zeichnet Yüksel Yavuz anhand zweier kurdischer Brüder nach, wie sich Migrantenkinder der zweiten Generation durchs interkulturelle Dickicht von Hamburg schlagen: Keine fünf Jahre Altersunterschied liegen zwischen Cem (Erdal Yildiz) und Mehmet (Bülent Esrüngün), und doch könnte ihre Haltung zur gemeinsamen Herkunft kaum unterschiedlicher sein. Während der ältere Cem, wie zuvor schon der Vater, in der Fleischfabrik schuftet, steckt der jüngere Mehmet als Kleindealer seinen Claim ab. Der Onkel, ein krimineller Nachtclubbesitzer, dient dabei als Vorbild.

Das Migrantendrama von Yavuz, selbst Sohn kurdischer Einwanderer, ist mehr als eine soziologische Fallstudie. Die Protagonisten sind hier nicht nur Mitglieder ihrer ethnischen Community, sondern auch Charaktere mit komplexen, durchaus ambivalenten Gefühlen. So verliebt sich ausgerechnet der gradlinige Cem, dessen Heirat mit einer Cousine in Kurdistan eigentlich schon beschlossene Sache ist, in eine deutsche Prostituierte (Inga Busch). Nüchtern protokolliert Yavuz die Widersprüche, mit denen sich seine Figuren zu arrangieren haben – und aus denen sie mit aller Gewalt ausbrechen oder die sie still zu ertragen beschließen. Vor allem in der Sprache manifestieren sich die Risse, Brüche und Tragödien innerhalb der familiären Gemeinschaft. Während der Vater nach Jahrzehnten der Plackerei in der deutschen Wurstfabrik ein wortloses Wrack geworden ist, wechseln die beiden Brüder bei ihren Disputen zwischen Kurdisch, Deutsch und US-Gangsteridiom.

Quelle: Christian Buß, Birgit Glombitza (Red.): "Deutschland, revisited". (Katalog zur gleichnamigen Retrospektive im Kommunalen Kino Metropolis Mai - Juli 2004). Hamburg: Kinemathek Hamburg e.V., 2004

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