Rotwang muß weg!

Deutschland 1994 Spielfilm

Rotwang Muss Weg!

Rudolf Worschech, epd Film, Nr. 12, Dezember 1994

Daß man dem deutschen Förderungssystem so manches Schnippchen schlagen muß, damit ein guter Film entstehen kann, dürfte im deutschen Filmgewerbe zu einer Binsenweisheit gehören. Vor ein paar Jahren überlistete Rene Perraudin mit einer Scheibchen-Taktik die Gremien: Er drehte über einen Zeitraum von fast zehn Jahren – öffentlich geforderte – Kurzfilme und verknüpfte sie dann zu dem langen Spielfilm "Z.B. Otto Spalt". Die List von Hans-Christoph Blumenberg ist noch einfacher: Er realisierte seinen "Rotwang muss weg!" fast ohne Gremien, ohne Fernsehbeteiligung – und deshalb auch fast ohne Geld. 390.000 DM nur soll der Film gekostet haben, das ist etwa ein Drittel des Budgets eines Fernseh-"Tatorts".

Doch diese Beschränkung des Etats kompensiert Blumenberg durch ein Vexierspiel an Handlung, in der nur eines sicher ist: Rotwang mußte weg. Den Mord an Rotwang, dem Industriellen und Politiker, der im Film nie auftritt und dem Armin Mueller-Stahl für 20 Sekunden die Stimme leiht, haben viele geplant. Seine Frau Clarissa hat einen Privatdetektiv mit der Ermordung ihres Gatten beauftragt, ein Modepapst mit Namen Arthur Eigenrauch und Beziehungen zum Terroristen "Carlos" hat eine Ex-RAF-Terroristin dafür wieder aktiviert, und der Imbißbudenbesitzer Bruno Ringeltaub, einst ein BKA-Spitzenmann, setzt eine blonde Schönheit auf ihn an. Und so aberwitzig wie die Verwicklungen der Handlung sind die Figuren des Films. Da gibt es einen Major der Stasi, der sich selbst als "Künstlerischen Leiter der Filmabteilung des MfS" bezeichnet und den Mielke seinen Eisenstein nannte. Heute macht er in den Zeise-Hallen in Hamburg dubiose Videos und träumt von einem Dinosaurier-Film. Arthur Eigenrauch hat, als er selbst das Attentat ausführen will, vor allen Dingen die Schwierigkeit, die rechte Bekleidung dafür zu finden.

Und als ob das alles nicht schon genug Material für eine turbulente Komödie sei, baut Blumenberg noch Cameo-Auftritte ein, von Barbara Rudnik über Hans-Peter Hallwachs und Jochen Senf bis hin zu Brian De Palma, der, natürlich, einen berühmten Hollywood-Regisseur spielt. Dazu kommen Zitate aus der Filmgeschichte und Gags über das Filmemachen wie die, daß der Regisseur von den Darstellern angesprochen wird (die die Handlung des Films suchen) oder polternd aus dem Off in das Geschehen eingreift. Das alles hat zwar nicht den ironischen Charme eines Mel Brooks oder die wilde Anarchie von Zucker und Abraham, aber es ist unangestrengt amüsant auch für den, der nicht weiß, daß "Rotwang" schon der Name des Erfinders in Fritz Langs "Metropolis" war, 72 Stunden- eine Frist ist, die Richard Widmark in "Madigan" gesetzt bekommt, eine Treppe eine wichtige Rolle in "Panzerkreuzer Potemkin" spielt und Blumenberg einen Modedesigner auftreten läßt, weil sein großer Kollege Wim Wenders einmal einen porträtiert hat. Nur 10 Tage haben die Dreharbeiten zu "Rotwang muss weg!" gedauert. In den dreißiger Jahren hat man so etwas als "Quickie" bezeichnet, schnell heruntergekurbelt, mit spritzigen Dialogen, die die Ungereimtheiten der Geschichte überdecken. Für Blumenberg ist "Rotwang" nach seinen überambitionierten Kinofilmen "Tausend Augen und der Madonna-Mann" ein Neuanfang. Während der Premiere in Hof hat er schon mit einer Fortsetzung spekuliert. Es lebe der deutsche B-Film.

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