Otto - Der Liebesfilm

Deutschland 1992 Spielfilm

Otto, der Liebesfilm


Detlef Kühn, epd Film, Nr. 9, September 1992


Jetzt haben sie ihn wieder (fast) alle zur Minna gemacht, Otto Waalkes, den selbstverliebten Clown aus Ostfriesland: "Die ganze Tragödie deutschen Frohsinns" (Tageszeitung), "Epidemischer Blödsinn" (Frankfurter Allgemeine Zeitung), "Erbarmungsloser Schwachsinn" (Süddeutsche Zeitung). Deutschlands Humorkritiker finden Otto immer weniger zum Lachen. Ich übrigens auch. 21 eigene Lacher habe ich in "Otto – der Liebesfilm" registriert, in seinem ersten Leinwandepos "Otto – der Film" (Regie und Kamera Xaver Schwarzenberger) waren es noch 34, das ist ein Lachfrequenzrückgang von 38 Prozent.

Ist vielleicht diese Geschichte schuld am Lachschwund? Amor (Otto im Harpo-Marx-Look), der himmlische Liebesbote, trifft mit seinen Pfeilen den Straßenmusikanten Otto (Otto im Otto-Look) und Tina (Jessika Cardinahl). Bevor sie zusammen glücklich werden können, müssen sie sich des üblen Schönheitschirurgen Dr. Bayerle (Juraj Kukura) erwehren. Der will nicht nur Tina verführen, sondern zusammen mit Intendant Gutmann (Ralf Wolter) die Kunstmäzenin Frau von Lodenwald (Ruth Maria Kubitschek) um ihre Villa betrügen. Und in diese Villa will, weil er nichts anders gefunden hat, Otto mit seiner Tina einziehen und dann jeden Tag ein Kind machen ...

Mit Ottos Pointen ist das allerdings so eine Sache. Die Titanic-Autoren Bernd Eilert, Robert Gernhardt und Peter Knorr haben wieder einmal ihre Kalauer-Produktion in Gang gesetzt. Doch damit hatten sie schon bei den ersten drei Otto-Filmen immer weniger Erfolg. Nicht nur bei den Kritikern, sondern auch beim zahlenden Publikum. Zwölf Millionen sahen den ersten Otto-Film, sieben Millionen den zweiten, vier Millionen den dritten ...

"Otto – der Liebesfilm" wirft ernste Fragen auf. Wer soll sie beantworten? Robert Gernhardt hat schon nach den ersten beiden Otto-Filmen die Kritiker in den "linksliberalen Feuilletons" zu konstruktiver Kritik aufgefordert – und doch zugleich eingeräumt, daß er selbst auch nicht genau vorhersagen kann, welcher Gag im Kino schließlich Gelächter auslösen wird und welcher nicht.

Auch Otto gab sich jetzt in einem Interview der früheren Zeitgeistzeitschrift Tempo ratlos bis verwirrt: "Ich weiß, was die Leute wollen", behauptete er, um dann doch zuzugeben: "Für mich ist es immer noch rätselhaft, wie diese Stimmungen kippen."

Otto will sein Publikum wieder zurückerobern und hat schon vor der Premiere seines jüngsten Werkes versprochen: "Ich werde mich wieder steigern, ich werde wieder böse." Aber war Otto wirklich jemals böse? Scherze mit gesellschaftskritischem Bezug standen bei dem Brokdorf-Demonstranten Waalkes nie im Mittelpunkt. Er war, wie der "Spiegel" schreibt, schon eher der "infantile, aufsässige Hofnarr der antiautoritären siebziger Jahre". In der noch festgezurrten Gesellschaftsordnung jener Zeit hatte auch der reine Quatsch eine kritische Kraft. Der Blödelkünstler stellte mit seinem nichtsnutzigen Unsinn eine Gesellschaft in Frage, die allein die Regeln von Disziplin, Vernunft und Nützlichkeit gelten lassen wollte.



Vielleicht (es folgt auf Wunsch von Herrn Gernhardt der konstruktive Teil der Kritik) sollten Otto und sein Autoren-Team doch noch einmal ihr Konzept "Otto-Film" überdenken. Es beruht auf der Vermutung, daß die Leute, die in einen Film mit Otto gehen, eigentlich nur Otto sehen wollen, nur über Grimassen, Hoppeleien und Kalauer von Otto lachen wollen. So wie bei den großen Stars der Stummfilmkomödien. Denkbar wäre doch aber auch ein Konzept, bei dem man (ähnlich wie im Erstlingswerk "Otto – der Film") Platz für andere Schauspieler, für komödiantische Verwicklungen und mehr Situationskomik, vielleicht sogar echte Gefühle läßt, bei dem man sich auch daran erinnert, daß Kino nicht nur etwas mit Hören, sondern auch mit Sehen zu tun hat, daß es dort auch um schöne Bilder geht, um Ausstattung und Kamera (siehe auch Hans-Moser-, Heinz-Rühmann- oder, um etwas näher bei Otto zu bleiben, Heinz-Erhardt-Filme). Und wenn Otto bei sich selbst Regie führt, ist das etwa so, wie wenn Boris Becker sich selbst trainiert (siehe jüngste Weltrangliste).

"Otto – der Liebesfilm" wird seinem Titel nicht gerecht. Er ist ohne Liebe fotografiert, springt in liebloser Hektik von Pointe zu Pointe, ist gar nicht lieb zu Ottos Schauspielerkollegen, die sich kaum einmal wirkungsvoll in Szene setzen können. Jessika Cardinahl beispielsweise ist schauspielerisch bestimmt keine Leuchte, aber, wie wir aus Ottos erstem Film noch wissen, eigentlich sehr hübsch. Leider sieht man sie diesmal kaum, was insofern überrascht, als sie ja doch eine verhältnismäßig wichtige Rolle spielt: die weibliche Hauptrolle.

Böse Zungen behaupten, Otto würde nur sich selbst lieben. Noch bösere, er würde bald der einzige sein, der ihn noch liebt. Aber Otto will sich ja bessern. Hat er versprochen. Und vielleicht kriegt er doch mal Helmut Dietl als Regisseur. Und wenn der noch seinen neuen Duzfreund Billy Wilder mit zum Set bringt ... Und man sich dann noch gemeinsam die alten Filme von Ottos ostfriesischen Komikervorfahren ansieht, von Groucho, Harpo und den anderen ...


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