Töchter zweier Welten

Deutschland 1990/1991 Dokumentarfilm

Fremde in zwei Welten

Ein Dokumentarfilm über Türkinnen in Deutschland


Stephan Hollensteiner, Frankfurter Rundschau, 06.04.1992

"Die Frauen seien den Männern Untertan, so stehen ihnen alle Türen zum Paradies offen." Dieses Zitat aus dem Koran hat Serap Berrakkarasu ihrem Dokumentarfilm "Töchter zweier Welten", den sie nun im Kommunalen Kino präsentierte, vorangestellt: sie läßt zwei türkische Frauen erzählen – darüber, wie sie mit der Last einer patriarchalischen Kultur umgehen. Seriban, die Mutter, ist in den 60er Jahren trotz der Anfeindungen ihrer Familie ("nach Deutschland gehen nur Nutten") ausgewandert, blieb aber dem traditionellen Rollenverhalten ihrer Heimat verpflichtet. Von diesem hat sich Meral, ihre Tochter und seit dem sechsten Lebensjahr in Deutschland, immer mehr gelöst: Sie verließ den von den Eltern aufgezwungenen Mann.

Erscheinen die Lebensauffassungen der beiden Frauen unvereinbar, vermeidet die Filmemacherin – selbst, ein in Deutschland aufgewachsenes Kind türkischer "Gastarbeiter" – doch jede Schwarz-Weiß-Malerei: Sie bemüht sich, deren innere Zerrissenheit zu dokumentieren. Denn die Mutter zweifelt zögernd an den Traditionen und bezeichnet die Zwangsheirat der Tochter als falsch; Meral hingegen fühlt sich trotz allem mit der Türkei emotional verbunden: Ohne dort leben zu wollen, sei es ihre Heimat – manchmal wünschte sie sich gar, nie nach Deutschland gekommen zu sein.



Dem durch sparsame Fragen gelenkten Redefluß der Frauen – die Mutter spricht Türkisch, die Tochter Deutsch – stellt Berakkarasu kommentarlos Bilder einer türkischen Hochzeit gegenüber: Die beschenkte Braut, das männliche Festgelage, ein sorgsam hergerichtetes Ehebett. Und die visuelle Dramatisierung steigert sie auf akustischer Ebene mit der Untermalung durch eine Hochzeitsmusik, die an Totentrommeln erinnert.

Berakkarasus "Töchter zweier Welten", vom NDR koproduziert und im vergangenen Jahr im "Forum des jungen Films" der Berlinale zu sehen, setzt sonst aber ganz auf die Gesichter, auf Gestik und Mimik der beiden Frauen: Die Kamera verharrt auch auf Meral, als diese – von ihrer .Hochzeitsnacht berichtend – in Tränen ausbricht. Die formal unspektakuläre Gestaltung erst läßt die Persönlichkeiten von Mutter und Tochter, ihre stets prekäre Revolte gegen die Opfer-Rolle, erkennbar werden. Daher verteidigte die Regisseurin in der Diskussion auch, daß ihr Film von Männern quasi abstrahiert: Sie habe "Frauen pur" gewollt, weil 99 Prozent aller Fernseh- und Filmproduktionen vornehmlich die Männer zu Wort kommen ließen. Nicht nur die Türkei, sondern auch der "Westen" ist schließlich noch immer durch patriarchalische Strukturen geprägt.


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