Väter

Deutschland 2001/2002 Spielfilm

Väter


Claus Löser, film-dienst, Nr. 20, 24.09.2002

Dass es "Väter“ überhaupt gibt, resultiert aus dem Trotz seiner Macher, sich nicht mit den Entscheidungen der Fördergremien abzufinden. Diese nämlich hatten den Stoff als nicht relevant für die Leinwand eingestuft und aufs Fernsehen verwiesen. Mit Referenzmitteln, Eigenkapital und Rückstellungen gelang es dem Team dennoch, sein Projekt zu realisieren – faktisch gegen die Logik der deutschen Filmförderung. Davon abgesehen, dass die Kompetenz der Gremien einmal mehr zur Disposition steht, beweist das Ergebnis, in welchem Maß die digitale Technik inzwischen autarke Leistungen ermöglicht: Selten vorher wurde die DV-Kamera im hiesigen Kino in vergleichbar adäquater Weise angewandt. Sie dient hier nicht als Vehikel für irgendeinen Zeitgeist-Dogmatismus, sondern schafft eine effektive Folie für das inhaltliche Anliegen des Films.

Melanie und Marco Krieger leben eine junge, den Wechselfällen des Alltags unterworfene Ehe. Als sich für den aufstrebenden Architekten Marco die Gelegenheit für einen Karrieresprung bietet, droht das filigrane Geflecht der Beziehung nachhaltig aus dem Gleichgewicht zu geraten. Die Zeit für die Familie wird zusehends knapp, die Hauptlast verlagert sich auf Melanies Schultern. Sie fühlt sich nur mehr als Anhängsel einer beruflichen Laufbahn. Im Rausch des Erfolgs ist Marco außerstande, die Veränderungen zu registrieren. Es bedarf schließlich nur noch geringer Anlässe zur Eskalation. Nach einer öffentlichen Demütigung durch ihren Mann zieht Melanie aus, nimmt den gemeinsamen Sohn Benny mit. Erst der Schock dieses Verlustes bringt Marco zur Besinnung. Er beginnt um die Beziehung zu Melanie und um das Kind zu kämpfen, macht aber durch sein ungeschicktes, impulsives Verhalten alles nur noch schlimmer. Nach einer Phase gegenseitiger Demontage, nach vorsichtigen Annäherungen und brüsken Zurückweisungen, scheint es zuletzt doch wieder so etwas wie eine Hoffnung für das Paar zu geben.

Im Film gibt es nur wenig störende Momente: Über einige Musikeinspielungen ließe sich streiten, einige handwerkliche Nachlässigkeiten mag man bedauern (die sichtbaren Scheinwerfer in der nächtlichen Spielplatzszene). Doch dem sieht man gerne nach, denn in fast jeder Hinsicht handelt es sich um eine überdurchschnittliche Arbeit. Zunächst wähnt man sich in einem jener Filme, die ihre im Umfeld der "neuen Eliten" verorteten Helden durch ein mühselig zusammengeschustertes Drehbuch aus lauter Phantomschmerzen schicken: noch ein junger dynamischer Berliner Architekt, der noch ein überflüssiges Bürohaus an die Spree stellt und irgendwann in eine Sinnkrise gerät. Schnell aber wird deutlich, dass "Väter" das Gegenteil verkörpert. Die Fassade wird aufgebaut, um umgehend demontiert zu werden. Der Verhaltenskodex der "Young Professionals" rückt für Marco schlagartig an den Rand der Wahrnehmung, da ihm die Tragweite der Trennung bewusst wird. Es gibt für ihn und seine Beziehung die Möglichkeit der Rettung, da er das Oberflächliche vom Elementaren zu trennen vermag. "Väter" ist Dani Levys bislang reifster Spielfilm. Der Umstand, zum ersten Mal einen Stoff aus fremder Feder zu bearbeiten, hat bei ihm offenbar zu einer produktiven Distanz zum Gegenstand geführt, ohne dass dabei von einer kalten, emotionslosen Umsetzung die Rede sein könnte. Im Gegenteil: Basierend auf einer Reportage, die Matthias Matussek für den "Spiegel" verfasste, stellte das Buch in früheren Fassungen eher ein Plädoyer für die Rechte geschiedener Väter dar, regelmäßig ihre bei den Müttern lebenden Kinder sehen zu können. Diese legitime Perspektive ist im fertigen Film nur noch rudimentär enthalten. Glücklicherweise, denn die wahre Stärke von "Väter" liegt in seiner differenzierten Figurenzeichnung. Es wird eben nicht nur der eine Standpunkt aufgemacht und argumentativ durchdekliniert, bis die Gegenseite als moralisch nach Punkten unterlegen den Kampfplatz verlässt; vielmehr werden gegenseitige Schwächen eingeräumt: Missverständnisse, Irrtümer, Ungerechtigkeiten, die zur Entfremdung führen. Wenn man so will, reproduziert der Film in der dialektischen Konturierung seiner Charaktere genau jenes Prinzip, das eine Annäherung nach beiderseitigen Verletzungen erst ermöglicht. Im Verbund mit dem Umstand, dass Levy die weibliche Hauptrolle mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Maria Schrader besetzte, muss man das Ergebnis um so mehr mit Hochachtung quittieren. "Väter" ist ein kluger Film, jenseits von Betroffenheit, Polemik oder Kitsch.

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