Mich dürstet

DDR 1955/1956 Spielfilm

"Mich dürstet"

Zur bevorstehenden Aufführung des Spanienfilmes der DEFA


A.K., Mitteldeutsche Neueste Nachrichten, Halle, 12.7.1956


(…) Karl Paryla vollbrachte als Regisseur wie als Drehbuchautor eine meisterhafte Leistung, die nicht nur seine, sondern die Leistung eines in seiner künstlerischen Aufgabe aufgehenden Ensembles ist. Wir sagen bewußt meisterhaft, weil der Film in seiner künstlerischen Aussage sehr stark ist und weil er die gesellschaftlichen Verhältnisse Spaniens voll überzeugend darstellt. Es gibt in diesem Film keine Szene, die über die Dinge hinwegredet, ehrlich und menschlich sehen wir die Dinge, um die wir uns, als sie geschahen, vor 20 Jahren zu wenig oder gänzlich falsche Gedanken gemacht haben.

Die Kargheit des Bodens spricht zu uns, die Unerbittlichkeit der Natur – der Mais verdorrt, kein Geld für Wasser, der Hunger geht um – da proklamiert die vom Volk mit überwältigender Mehrheit gewählte Volksfrontregierung ihr Programm: Agua libera, terra libera – das Wasser ist frei, das Land ist frei, al pueblo gehört dem Volk! Aber der Großgrundbesitzer denkt nicht daran, sich den Gesetzen der legalen Regierung zu fügen. Der Kampf beginnt die Bauern nehmen sich das, was allen Menschen gehört, das Wasser. In einem kleinen Dorf zeigt der Film in einer wegen ihrer Einfachheit und schlichten Menschlichkeit tief ergreifenden Fabel das furchtbare und tragische Schicksal des spanischen Bauern. Der Sieg der schaffenden Menschen im Anfang wird, als Franco, gestützt auf Fremdenlegionäre und unwissende Marokkaner, gestützt auf die wissende Kirche, von den Divisionen Hitlers und Mussolinis "eingesetzt" wird, zum mörderischen Verteidigungskampf des spanischen Volkes. Ein junger Bauer, Pablo, ist der typische Repräsentant dieses Volkes; sein Vorhandensein, sein Patriotismus, sein Lerneifer, seine Opferbereitschaft, sie zeigen nicht nur, daß damals im spanischen Volke Kräfte in Aktion waren, die Wegbereiter eines neuen, eines fortschrittlichen Spaniens waren, sondern beweisen mit überzeugender, zwingender Kraft: was damals nicht gelang, was im Hagel der deutschen, italienischen, englischen und amerikanischen Bomben und Granaten grauenhaft und jammervoll zerschlagen wurde, konnte nicht zerstört werden, weil es Geist war, der Geist einer neuen und besseren Zeit. Dieser Geist aber lebt heute ebenso wie Menschen wie Pablo leben und nicht aufhören zu kämpfen. Was dieser Geist will? Ein besseres Leben, auslöschen die Tatsache, daß Spanien gesellschaftlich ein Stück Mittelalter in Europa bleibt, die Überzeugung im spanischen Volk wachrufe, daß einmal der Tag kommen wird, an dem das schaffende spanische Volk für alle Zeiten in das befreite Wasser die letzten Erinnerungen an das Mittelalter im 20. Jahrhundert versenken wird.


Flüchtlingselend, barbarische Grausamkeiten der Granden, denen es nicht am Segen der Kirche fehlt, der Heroismus des spanischen Arbeiters und des spanischen Studenten, die selbstlose opferbereite, von der Idee reiner Menschlichkeit getragene Hilfe der internationalen Brigaden – zwischen Szenen von zarter Liebe und erschütternder Klage immer wieder ein dominierender Akkord: das spanische Volk, das um seine Befreiung, für ein besseres Leben kämpft. Das letzte Bild, so schlicht und schön, und dafür sollten wir dem Künstler Paryla besonders danken: Pablo will nur eines, daß freie Wasser die verdorrte Erde feuchtet und den Mais des spanischen Bauern wachsen läßt, daß niemand mehr schmachten muß und Spaniens Klage durch die Jahrhunderte "Mich dürstet" auf ewig verstummt. (…)

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