Insel der Schwäne

DDR 1982/1983 Spielfilm

Insel der Schwäne


Fred Gehler, Sonntag, Berlin/DDR, 15.5.1983


In letzter Zeit konnte Ulrich Plenzdorf nicht allzuviel dazu tun, den erworbenen Ruf zu festigen. Einiges geriet gleichsam schon in die Legende. Nun mit "Insel der Schwäne" eine Wiederkunft auf der Leinwand. Ich hätte dieser Adaption eines Brnno Pludra-Stoffes einen erneuten Erfolg wahrlich gewünscht, das Resultat stimmt eher verdrossen. Einzelne Partikel der Realität wie an einer Perlenkette aufgefädelt, die einzelnen Motive zu eintönig komponiert. Das Eingangsmotiv der Insel der Schwäne, Symbol der verlorenen Kindheit oder der zurückgelassenen Unschuld und Reinheit, ist nach fünf Minuten erschöpft. Vieles bleibt plakativer Hinweis auf Bekanntes: Unverständnis der Erwachsenen, die Sehnsucht nach "kleinen Wiesen im Beton".

Plenzdorf hat zum erstenmal eine Geschichte mit halbwüchsigen Helden geschrieben, mit der erkennbaren Absicht, den Film "nicht unbedingt für Halbwüchsige zu machen". Leider wird diese Absicht – so scheint mir – durch eine allzu einschichtige Figurenkonstellation zunichte gemacht. Im präsentierten Knabendreieck finden Veränderungen nicht statt, nicht einmal Variationen werden durchgespielt. Die Verhaltensmuster legen sich starr auf "Windjacke", Stefan und Hubert; Der Engel, der ein Teufel ist. Der saubere, stets integre und mutige Held. Dazwischen das geduckte und gedemütigte Opfer, beziehungsweise Objekt der Ritterlichkeit. Plenzdorf hat auf die Westernaffinität dieser Konstellation verwiesen: "Mir hat es Spaß gemacht, diesem Modell mai zu folgen oder mal zu probieren, inwieweit man dem folgen kann…" Nun braucht man Plenzdorf sicherlich nicht zu erklären, daß ein Western nicht nur dramaturgische Modelle aufweist, sondern auch historische und soziale Fixierungen, sind es doch gerade die letzteren, die erst ein Spannungsfeld zu den Idealformen schaffen.

Es wäre zum Beispiel interessanter gewesen, beim Erkunden von Kausalität künstlerisch fündig zu werden (für die gar nicht mehr kindlichen Spiele von "Windjacke", für die Genesis eines solchen Typs etcetera), als sich damit zu begnügen, die "Frauen" von Stefan fernzuhalten ("denn ein Westernheld eines bestimmten Westernmodells pflegt sich davon freizuhalten" – U. P.). Doch vielleicht sollte man eine stereotype Optik auf künstlerische Figuren nicht unbedingt mit der Nähe zu einem Genre erklären. Letztlich zählt das sichtbare Ergebnis, und das ist ärmer an Mitteilungen, ais bei einem Gespann Plenzdorf/Herrmann Zschoche zu erwarten. Auch das vieldiskutierte und veränderte Finale des Films sollte unter dem angedeuteten Aspekt gesehen werden: der unbefriedigende Schluß als Spiegelbild der insgesamt zu plakativen Erzählhaltung. Schlichtweg ärgerlich bleibt der Versuch, dem Zuschauer noch die existentielle Bedeutsamkeit der Geschichte durch das Auftreten der Gruppe "Ritter, Tod und Teufel" zu signalisieren. Denn was eine Geschichte an sich nicht schafft, leistet auch kein mißratener Aufputz. Solcherart Pseudometaphorik war noch nie unsere Stärke.

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