Gesucht: Monika Ertl

BR Deutschland 1988/1989 Dokumentarfilm

Gesucht: Monika Ertl

Raimund Gerz, epd Film Nr. 12, Dezember 1990

Hamburg 1971: Der bolivianische Generalkonsul wird in seinem Büro ermordet. Tatverdächtig: Monika Ertl, Mitglied der Bolivianischen Nationalen Befreiungsfront (ELN). Zwei Jahre später, am 13. Mai 1973, wird Monika Ertl in La Paz erschossen. Mit Kampfgefährten hatte sie versucht, Klaus Barbie, den nach Bolivien geflüchteten "Schlächter von Lyon", zu entführen. Die Tatsache, daß Monika Ertl ein spätes Opfer des berüchtigten Nazi-Schergen wird, ist eine groteske und zugleich bezeichnende historische Pointe jener "deutschen Geschichte auf fremden Boden", wie Christian Baudissin seinen Dokumentarfilm im Untertitel nennt. Als Tochter des bayerischen Filmpioniers, Riefenstahl-Kameramanns und Weltkriegsberichterstatters Hans Ertl wächst Monika in Bolivien auf, heiratet einen deutschen Ingenieur und wird Teil jener wohlhabenden bolivianischen Oberschicht, der später auch Klaus Barbie alias Altmann angehört, dem Hans Ertl zu einem beruflichen Start in Südamerika verhalf. Barbie, in dieser Hinsicht vorgebildet, wird Organisator der bolivianischen Polizei.

Baudissin verzichtet in seiner Dokumentation darauf, den Weg der Monika Ertl in die südamerikanische Guerilla chronologisch nachzuvollziehen. Sein Porträt der jungen Frau, von der außer einigen Schmalfilmaufnahmen und Fotos kaum Zeugnisse existieren, setzt sich in erster Linie aus Interviews zusammen, die ein widerspruchsvolles Bild ergeben: Monika Ertl als Opfer, das sich die Guerilleros durch Rauschgift und Gehirnwäsche gefügig machten, so die Angehörigen; als Idealistin, die die Motive für ihren Kampf aus der "Theologie der Befreiung" bezog, so der einstige Compañero und heutige Mitterrand-Berater Régis Debray; als irregeführte Frau, die den falschen Mann geheiratet hatte, so der Vater.

Ohne daß der Film sich auf das – mangels aussagekräftiger (Selbst-)Zeugnisse – dünne Eis einer psychologischen Interpretation begibt, führt Baudissins Spurensuche mitten hinein in ein höchst ambivalentes Vater-Tochter-Verhältnis, das nahezu beispielhaft steht für die Beziehung der Nachgeborenen zu einer schuldig gewordenen Väter-Generation. Hans Ertl, in den Entnazifizierungsverfahren wegen Kriegsverherrlichung mit Berufsverbot belegt, ist ein Mann mit notorisch gutem Gewissen, sowohl was seine Rolle in der Nazizeit wie auch die als Familienvater angeht. Den Einlassungen dieses Mannes, der unbeschwert erzählt, wie er seine Familie kurz nach ihrem Eintreffen in Bolivien im Stich läßt, um auf eine Ostasien-Expedition zu gehen, sitzt der Zuschauer bisweilen fassungslos gegenüber: Hans Ertl hat von nichts etwas gewußt: nicht von der tödlichen Erkrankung, der seine Frau erliegt, während er in Deutschland weilt – die Bitte, gegebenenfalls die Rivalin zu heiraten, will er gleichwohl von seiner Frau mit auf den Weg bekommen haben; nichts von den Verbrechen des Klaus Barbie; wohl von dessen SS-Zugehörigkeit, aber die habe – wie Ertl beifallheischend erklärt – selbst bei jüdischen Unternehmern als Empfehlung gegolten. Baudissins Montageverfahren entlarvt diese Darstellungen als ein Geflecht aus Lebenslügen und Illusionen eines Mannes, der aus der Rekonstruktion seines Lebens alle unpassenden Momente ausblendet und bereitwillig seinen eigenen Lügen glaubt.

Monika Ertl habe die Nazis gehaßt, berichtet Régis Debray. Ihre Hinwendung zu den Opfern, ihr Eintreten für die Sache der Unterdrückten, ist – so legt Christian Baudissins Kino-Erstling nahe – eine Form der Auseinandersetzung mit der Generation der Väter, ein Versuch vielleicht, einen kleinen Teil von deren Schuld abzutragen. Es ist die Tragik von Monika Ertl, daß diese Väter ihre Kinder – nicht nur in Bolivien – auch politisch überlebt haben.

 

 

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