Keine Startbahn West - Eine Region wehrt sich

BR Deutschland 1978-1982 Dokumentarfilm

Keine Startbahn West – Eine Region wehrt sich


Horst Peter Koll, film-dienst, Nr. 8, 21.04.1982

"Keine Startbahn West!" ist die Devise der größten regionalen Bürgerinitiative der Bundesrepublik Deutschland, die sich gegen einen Ausbau des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens zur Wehr setzt. Nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten, Protesten und umstrittenen Parteitagsbeschlüssen kam es Ende 1981 zu einer außergewöhnlichen Kampagne, mit der für die Erhaltung des ohnehin knappen Wald- und Erholungsgebietes demonstriert wurde: 220.000 Unterschriften wurden für ein Volksbegehren gesammelt und während einer Kundgebung dem Landeswahlleiter in Wiesbaden übergeben. Der Staatsgerichtshof lehnte diesen Antrag jedoch als verfassungswidrig ab.

Von der Geschichte dieses Widerstandes gegen die Flughafenerweiterung, der neben politischen Gruppierungen von einer großen Zahl "normaler" Bürger getragen wird, berichtet dieser Dokumentarfilm in sechs Kapiteln, die aufeinander aufbauen. Damit wird zunächst eine wichtige Öffentlichkeitsarbeit geleistet: Ausgehend von den Warnungen von Wissenschaftlern, die nicht wiedergutzumachende ökologische Schäden voraussagen, sowie einem begründeten Zweifel an der Notwendigkeit eines Ausbaus, wird der Erkenntnisprozeß veranschaulicht, den die Protestler durchmachen. Da die politischen Instanzen sich den Argumenten von Naturschützern, jungen und alten Bürgern und derem Lebensgefühl verschließen, wächst die Verunsicherung und die Enttäuschung, aber ebenso die Bereitschaft zum Handeln. Es ist ein Verdienst des Films, daß er mittels einer einfühlsamen Schnittechnik nicht allein Bild- und Tondokumente liefert, sondern auch die emotionale Seite des Konfliktes verdeutlicht. Daß er dabei ausgesprochen parteiisch und einseitig argumentiert, ist logisch. Klänge von Rock-Musik verbinden sich mit christlichen Liedern über Nächstenliebe während eines Gottesdienstes und bebildern eine Utopie, die erstrebenswerter ist als die durch die offizielle Politik verursachte Verhärtung der Seiten.

Trauriges Resultat solcher Verhärtung sind ebenso die gewalttätigen Aktionen zwischen Protestlern und Polizei-Einheiten, die der Film als unheimliche Vision darstellt. Glücklicherweise wurde auf die Darstellung sensationsträchtiger Übergriffe, die eine Verkürzung von Argumentation auf emotionsgeladene Hetze bedeutet hätte, verzichtet. So dominiert der Gegensatz unterschiedlicher Wirklichkeitsdarstellung, der oft provoziert, aber erkenntnisreich ist: eigenes Bild- und Tonmaterial wird mit jener Realität konfrontiert, die sich über die konventionellen Medien mitteilt. Am entlarvendsten ist hier der Text, der einen Werbefilm zur Landtagswahl 1978 begleitet und von der Schönheit und Harmonie des Landes Hessen erzählt.

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