Aber wenn man so leben will wie ich

DDR 1988 Kurz-Dokumentarfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Ein Foto des kleinen Jungen auf einem Pony belegt: Michael war stets der Liebling seiner Mutter. Und ist es nach alldem, was passiert ist, immer noch geblieben. Weil sie den Drang der Jugend nach einem alternativen Leben versteht. Sie hat es mit Michaels an Epilepsie erkranktem älteren Bruder schon schwer genug gehabt im familiären Alltag, weshalb die Alleinerziehende auf ihren „Micha“ nicht so achtgeben konnte wie es wohl nötig gewesen wäre. Der war fünf, als sie sich von Michas Vater, einem gewalttätigen, alkoholkranken Schichtarbeiter, scheiden ließ.

Michael, der sich einen Irokesen-Haarschnitt zugelegt hat, will sich möglichst alle Probleme vom Hals schaffen und daher keine Verantwortung übernehmen. Das Dasein als Punk bedeutet für ihn Individualität: Dass jeder nur Seins macht, ist im kollektivistischen Sozialismus aber nicht vorgesehen. Weshalb er als „auffällig“ abgestempelt von den Behörden seiner Mutter entzogen und in verschiedene Jugendheime eingewiesen wird, darunter im Alter von 15 Jahren auch in einen der berüchtigten „Jugendwerkhöfe“. Für Michael das prägende Ereignis eines Gefängnisaufenthalts unter harmloser Bezeichnung.

Inzwischen Bass-Gitarrist der Punkband „Reason Exzess“, ist für ihn auch nach den Erfahrungen daheim nur der frei, der ein ausreichendes materielles Fundament hat – und das ist nur durch eine entsprechende Ausbildung zu erreichen. „Stummel“, wie er sich jetzt nennt, stellt einen Ausreiseantrag, obwohl er mit 18 Jahren Vater der kleinen Tochter Marieluise geworden ist und seine Freundin Kathi in der DDR bleiben will. Michael kümmert sich auch ohne Trauschein liebevoll um „seine“ Familie, hält aber die „geistige Unterjochung“ in der DDR nicht aus. Und fragt den Dokumentaristen Bernd Sahling, ob der solche offenen Äußerungen überhaupt drehen darf. Darf er, zumindest in der Spätphase der HFF wie des ganzen Staates. Außerdem sind Hochschulfilme nicht für öffentliche Aufführungen gedacht. Das letzte Interview findet im Februar 1988 mit Michaels Mutter statt: „Man darf sich nicht vor aller Verantwortung drücken“, gibt sie ihrem Sohn auf seinen weiteren Weg mit.

Bernd Sahling wird 1961 in Naumburg geboren. Nach einem 1983 angetretenen Volontariat im Defa-Studio für Spielfilme arbeitet er als Regieassistent bei Kinderfilmen von Rolf Losansky, Hannelore Unterberg und Helmut Dziuba. Von 1986 bis 1991 folgt ein Regiestudium an der HFF „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg und 1995-96 ein Auslandsstudium an dem Columbia College Chicago mit dem Hauptfach Screenwriting.

Mit den national und international ausgezeichneten Spielfilmen „Die Blindgänger“ und „Kopfüber“, aber auch Dokumentarfilmen wie „Alles wird gut“ oder „Ednas Tag“ etabliert sich Bernd Sahling als Filmregisseur im Kinder–und Jugendfilmbereich. Seit 2004 leitet er Filmwerkstätten mit Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Ländern Europas und arbeitet zeitweise als Dozent an der Universität Duisburg-Essen und als Familienhelfer für das Jugendamt Potsdam. Bernd Sahling ist Mitglied der Deutschen Filmakademie und dem Förderverein deutscher Kinderfilm.

Der weitgehend in Parallelmontage entstandene Abschlussfilm des Grundlagenstudiums 1987/88 war zunächst für Oberhausen nicht zugelassen und konnte erst nach Intervention des Babelsberger Hochschulrektors Lothar Bisky als Teil eines Pakets mit einem halben Dutzend HFF-Kurzfilmen gezeigt werden. Die Erstausstrahlung erfolgte am 3. Mai 2025 auf Arte im Rahmen der Berichterstattung von den 71. Int. Kurzfilmtagen Oberhausen.

„Aber wenn man so leben will wie ich“ war der erste Defa-Film über die DDR-Punkszene. Bernd Sahling führte das Porträt mit seiner zwischen dem Fall der Berliner Mauer und März 1990 gedrehten Dokumentation „Alles wird gut“ fort, der „Stummel“ und seiner Mutter nach Westdeutschland folgt. Am 15. Oktober 2024 hat Sahling seinen Film in New York vorgestellt im Rahmen einer Ausstellung im Deutschen Haus der New York University mit Fotografien des Filmemachers, die im Umfeld der Dreharbeiten sowie im Berlin der Wendezeit entstanden. Darüber hinaus gab Sahling ein Seminar zur Drehbucharbeit an der Mass University und präsentierte seinen Film „Kopfüber“.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Director

Script editor

Director of photography

Editing

Sound

Unit production manager

Duration:
240m, 21 min
Format:
16mm, 1:1,37
Video/Audio:
Orwocolor
Screening:

Uraufführung (DD): 29.11.1988, Leipzig, IFF;
Aufführung: 26.04.1989, Oberhausen, IFF - Sonderprogramm;
Aufführung (DE): 14.02.1990, Berlin, IFF - Panorama

Titles

  • Originaltitel (DD) Aber wenn man so leben will wie ich

Versions

Original

Duration:
240m, 21 min
Format:
16mm, 1:1,37
Video/Audio:
Orwocolor
Screening:

Uraufführung (DD): 29.11.1988, Leipzig, IFF;
Aufführung: 26.04.1989, Oberhausen, IFF - Sonderprogramm;
Aufführung (DE): 14.02.1990, Berlin, IFF - Panorama