Die Herrin der Welt, Teil 1 - Die Freundin des gelben Mannes

Deutschland 1919 Spielfilm

Die Herrin der Welt, 1. Teil


Lichtbild-Bühne, Nr. 50, 13.12.1919


Monate lange Vorbereitungen. Eine ganze neue Filmstadt draußen bei Woltersdorf, ein chinesisches Flussviertel, an der Potsdamer Havel entstanden. Stoff für Gerüchte und Gespräche. Die Millionen, die für diesen Achtakter aufgewandt wurden. Drei Dramaturgen bearbeiten das Manuskript nach dem Roman von Figdor. Große Chinesentruppen wurden verpflichtet, Negerscharen, die sich ein paar Meilen hinter Friedrichshagen wieder zur Ursprünglichkeit des Krals zurückblicken, Jacoby-Boy, der bekannte Zeichner, läßt riesenhafte exotische Bauten aufführen. Ein Heer von Menschen ist an der Arbeit.

Dann die Uraufführung im Tauentzienpalast, der nun auch der Ufa gehört. Reicher Blumenschmuck auf den Treppen und im Rang, dessen erste Reihe mit den Hauptdarstellern besetzt ist. Chinesen verteilen in Nationaltracht illustrierte Beschreibungen. Über dem Saal liegt Spannung. Das Licht erlischt, der Vorhang rollt auf.

"Die Freundin des gelben Mannes" – der erste Teil des filmischen Fortsetzungsromans. Um es gleich zu sagen: eine Leistung von Rang, ein guter Erfolg. Nicht so sehr in der Handlung, die außer ihren starken, kühl gewollten Höhepunkten auch tote Strecken hat und abseits vom Literarischen liegt. Aber als Werk von Regie, Darstellung und szenischer Kunst. Erstaunlich, was Mia May an ethnographischen Täuschungen unter nüchternem nördlichen Himmel hervorgezaubert hat. Schon im Beginn mit ein paar Verkleidungen von Dampfern und Booten ein paar wild gezackten Segeln hat – unter malerisch-realistischer Verwendung eines Hunderts echter Zopfträger – chinesisches Flußleben vorgetäuscht, an das man glaubt. Hier führen gleich zwei Hauptdarsteller ein: Mia May, die eine junge, nach China in ein Freudenhaus gelockte Dänin verkörpert und dem jungen Chinesen Sze. Dieser sowie die anderen in wichtigen Rollen beschäftigten Asiaten bilden den darstellerischen Haupttrumpf: sie geben dem Spiel eine ungemeine Lebenstreue und eine völlig neue eigene Note.

Was nun in den Szenen von der Verschleppung des jungen Weibes bis zu ihrer Befreiung an Geschehen abrollt, schöpft seine Wirkung immer wieder aus szenischer Bildkraft und darstellerischer Naturalistik – die die Spielleitung zu einer eindrucksvollen Einheit zusammengefaßt hat. In diesen vielen Akten, ist kaum eine einzige Szene, bei der man sich erinnert: all das ist in Groß-Berlin gekurbelt. Eine ungehemmte Abenteuerlust setzt sich in Bildern um, die an die Nerven greifen. Schreckens-Kammerwirkungen: die Europäerin wird in ein Kellerloch gestoßen, in dem ihr das Wasser langsam bis zum Halse steigt: so macht man sie gefügig. Ihr Befreier gerät in die Hände des Filmbösewichts, der Freudenhausbesitzer und König der Bettler in einer Person ist. Er wird an einen Baumstamm gefesselt und durch einen schmalen Schnitt in die Pulsader zu langsamen Verbluten verurteilt. Der Schluß: Köpfung des bösen gelben Mannes auf der Hinrichtungsmauer. Starke aber in die Handlung künstlerisch wirksam eingegliederte Szenen.

Außer den genannten Darstellern ein weiterer, neuer, ein bedeutender Gewinn für den Film: Michael Bohmer von der Staatsoper, ein ungemein lebensvoller Naturkerl voll Kraft und Saft, mit bezwingenden mimischen Akzenten und einer Aufhelligkeit, die ihm einen Sonderapplaus mitten in der Szene eintrug. Auch sonst war die Aufnahme von stürmischer Begeisterung.

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