1905 - 1914

Quelle: DIF
"Engelein" (1913)

1905

Mai
Nach einer amtlichen Statistik gibt es in Berlin 16 ortsfeste Kinos. Sie zeigen gemischte Programme mit Kurzfilmen, die vorwiegend in Deutschland und Frankreich produziert werden.

September
Gründung der "Alfred Duskes GmbH." in Berlin. Sie gilt als erste Herstellungsfirma, die ihre Filme an Kinos nicht nur verkauft, sondern auch verleiht. 

 


1906

Januar
Die 16jährige Henny Porten dreht zusammen mit ihrer Schwester Rosa ihren ersten Film: das Tonbild "Meissner Porzellan". Regie führt der Vater Franz Porten. Produktion: Oskar Messter.

21. März
Paul Davidson, ein 34jähriger Kaufmannssohn, gründet in Frankfurt am Main die "Allgemeine Kinematographen-Theater Gesellschaft, Union-Theater für lebende und Tonbilder GmbH", die sich hauptsächlich mit der Errichtung von Lichtspieltheatern befaßt. 1909 wird die Firma in die "Projektions-Aktiengesellschaft Union" (Pagu) umgewandelt, die erste Filmaktiengesellschaft in Deutschland.

15. April
In München wird das erste ortsfeste Kino eröffnet: der "Weltkinematograph", ein "ständiges kinematographisches Institut" in der Kaufingerstraße.

5. Mai
Der Berliner Polizeipräsident führt die Präventivzensur ein. Jeder Film muß vor einer öffentlichen Vorführung besichtigt und freigegeben werden.

Juni
In Mannheim eröffnet Paul Davidson sein erstes "Union-Theater", im Juli folgt ein "U.T." in Frankfurt am Main.

16. Oktober
Der Schuster Wilhelm Voigt besorgt sich, als Hauptmann verkleidet, im Rathaus von Köpenick einen Paß. Die Affäre wird sofort zum Filmsujet: drei Filme entstehen unmittelbar nach dem Streich, in einem vierten – "Der Hauptmann begnadigt" (1908) – hat Voigt selbst einen kurzen Auftritt. Der Film wird allerdings von der Zensur verboten. 

 

1907

6. Januar
In Düsseldorf erscheint die erste Nummer der Zeitschrift "Der Kinematograph", Untertitel: "Organ für die gesamte Projektionskunst". Berichtet wird über technische Neuerungen, Rechts- und Zensurfragen, neue "Films". Die Zeitschrift erscheint wöchentlich, bis 1934.

März
Jules Greenbaum
und sein Bruder Max Grünbaum gründen die Firma "Vitascope-Theater-Betriebs-GmbH", die ab 1909 als "Deutsche Vitascope GmbH" firmiert.

2. April
Der Fotograf Peter Ostermayr gründet in München zusammen mit seinem Bruder Franz ein Wanderkino: "Original Physograph Compagny". Die beiden drehen auch eigene kurze Filme.

4. Oktober
Gründung der "Kinematographischen Reformvereinigung" in Berlin. Ihre Mitglieder fühlen sich der öffentlichen Moral verpflichtet und wollen den verderblichen Einfluß des Kinos mindern.  

1908

10. März
In Kaulsdorf bei Berlin wird die Dressurnummer "Tilly Bébé, die berühmte Löwenbändigerin" gefilmt. Das Kino behält seine Nähe zu Varieté und Zirkus.

19. April
Erste Ausgabe der Zeitschrift "Lichtbild-Bühne". Sie ist das "Fachorgan für das Interessengebiet der kinematographischen Theaterpraxis" und erscheint wöchentlich, bis sie 1940 mit dem "Film-Kurier" fusioniert wird.

Juni
In Hamburg findet die "I. Internationale Kinematographen-Industrie-Ausstellung" statt. 82 Firmen beteiligen sich – auch die großen: Messter, Gaumont, Pathé Frères, Biograph – und zeigen Projektoren, Kinozubehör und neue Erfindungen, zum Beispiel die Geräuschmaschine "Bruitophone".

1909

9. Februar
Der Film "Besuch des englischen Königspaares am 9. 2. 1909" wird vormittags gedreht, entwickelt und kopiert, nachmittags der Zensur vorgelegt und abends in verschiedenen Kinos gezeigt.

4. September
Im großen Saal des Grand-Hotels am Berliner Alexanderplatz wird das erste "Union-Theater" mit eigenem Kinoorchester eröffnet.

1910

28. November
In Düsseldorf hat der dänische Film "Afgrunden/Abgründe" von Urban Gad mit Asta Nielsen seine deutsche Premiere. Er dauert 45 Minuten und gilt als erster "programmfüllender" Film in Europa.

1911

Januar
In Halle an der Saale veröffentlicht der "Kinoreformer" Dr. Albert Hellwig seine Streitschrift "Schundfilms. Ihr Wesen, ihre Gefahren und ihre Bekämpfung". Er plädiert darin für eine strenge, reichseinheitliche Filmzensur.

28. Januar
Uraufführung des Films "Das Liebesglück der Blinden", in dem es um die melodramatische Frage geht, ob der verkrüppelte Augenarzt die schöne, blinde Frau operieren soll, die er liebt. Er tut es, und für Henny Porten beginnt nach dem Happy-End ihre Karriere als Star.

15. April
Uraufführung des ersten programm-füllenden deutschen Films: "Das gefährliche Alter", Regie: Adolf Gärtner. 45 Minuten lang. Ein Drama auf Leben und Tod, in dem die Gräfin Else ihrer Tochter Eva den Verlobten Heinz ausspannt. Nur Eva findet am Ende ihr Glück.

15. Juli
In Berlin-Neukölln gründet Karl August Geyer die "Kino-Kopier-Gesellschaft m.b.H.". Es ist die erste Fabrik in Deutschland, die sich ausschließlich dem Entwickeln von Negativen und der Herstellung von Positivfilmen widmet.

3. November
"Spezial-Presse-Vorstellung" des Asta Nielsen-Films "Der fremde Vogel" für 400 ausgewählte "Literaten und Kritiker". Ein Liebes- und Verfolgungsdrama aus dem Spreewald. Asta ertrinkt auf der Flucht. "Dies alles kann in ähnlicher Vollkommenheit nur im Kino gezeigt werden, nicht im Theater." (Der Kinematograph).

1912

12. Februar
Erster Drehtag in den Filmstudios Neubabelsberg: Asta Nielsen spielt unter der Regie von Urban Gad die Hauptrolle in dem Melodram "Der Totentanz".  

1913

31. Januar
Uraufführung des Films "Der Andere" von Max Mack, Drehbuch: Paul Lindau. Ein Fall von Schizophrenie, geheilt durch Liebe. Der berühmte Theaterschauspieler Albert Bassermann soll das Kino salonfähig machen. Zur Premiere kommen die Theaterkritiker. Der "Autorenfilm" ist beim Publikum kein Erfolg.

Februar
Die Hauptverwaltung der "Pagu" wird nach Berlin verlegt. Zum Kinokonzern der "U.T." gehören 33 Häuser. "Paul Davidson ist Film- und Apparate-Fabrikant, Verleiher und Theaterbesitzer. Mehr kann man unmöglich innerhalb unserer Branche auf eine Person vereinigen." (Lichtbild-Bühne).

17. März
Oskar Messter gründet die Firma "Messter Film GmbH". Sie produziert Filme, aber keine Apparate mehr.

Frühjahr
An der Oberlandstraße in Berlin-Tempelhof errichten die Firmen Literaria-Film und Pagu Glashäuser als Ateliers, die 1917 von Oskar Messter übernommen werden und ab 1918 das erste Produktionszentrum der Ufa bilden.

Juni
Am Berliner Kurfürstendamm eröffnet das "Garten-Kinematographen-Theater": das erste fest eingerichtete Freiluftkino.

Juli
Emilie Altenloh, 24, reicht bei dem Nationalökonomen Alfred Weber in Heidelberg ihre Dissertation "Zur Soziologie des Kino" ein. Es ist die erste sozial- und geisteswissenschaftliche Examensarbeit zu einem Filmthema in Deutschland. Sie erscheint 1914 als Buch im Diederichs Verlag, Jena.

22. August
Uraufführung des Films "Der Student von Prag" (Regie: Stellan Rye) mit Paul Wegener. Leben und Leiden als Doppelexistenz wird zu einem genuinen deutschen Filmmotiv.

3. Oktober
Eröffnung des "U.T. Kurfürstendamm" (1000 Plätze) in Berlin mit einem Film des Theaterregisseurs Max Reinhardt: "Die Insel der Seligen". Die Besucher sind vom Kino mehr beeindruckt als vom Film.

18. Oktober
In München werden – als repräsentativstes Kino der Stadt – die "Sendlingertor-Lichtspiele" eröffnet: mit dem italienischen Monumentalfilm "Die Herrin des Nils".

1914

3. Januar
Uraufführung des "mimischen Lustspiels" "Engelein", Regie: Urban Gad. Die 32jährige Asta Nielsen spielt ein 17jähriges Mädchen, das in die Rolle einer 12jährigen schlüpfen muß.

13. März
Uraufführung der ersten Folge einer Serie mit dem Detektiv Stuart Webbs: "Die geheimnisvolle Villa". Regie: Joe May. Ernst Reicher verkörpert den Serienhelden bis in die zwanziger Jahre, May wechselt nach der vierten Webbs-Folge zu Joe Deebs. Konjunktur für Detektive.

1. August
Beginn des Ersten Weltkriegs, ausgelöst durch das Attentat von Sarajewo (28. Juni). Kaiser Wilhelm II. – Österreich gegenüber bündnistreu – erklärt Rußland den Krieg.

3. Oktober
Mit der "Messter-Woche" kommt die erste regelmäßig erscheinende deutsche Wochenschau in die Kinos. Sie berichtet vor allem von den Kriegsschauplätzen.

15. Dezember
Das preußisch-königliche Kriegsministerium bestimmt in einer Zensurverordnung, daß alle Filme zu verbieten seien, "die infolge ihrer Oberflächlichkeit und Seichtheit in die jetzige ernste Zeit nicht hineinpassen".

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Hans Helmut Prinzler: Chronik, 1895-2004. In: Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans Helmut Prinzler (Hg.): Geschichte des deutschen Films. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Metzler 2004

© 2004 J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart.