Kalender einer Ehe

DDR 1970 Kurz-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Dass der hybride Kurz-Dokumentarfilm, der sich mit der im Sozialismus propagierten Gleichberechtigung von Mann und Frau im Hinblick auf die Familiengründung beschäftigt, von einem rein männlichen Team gedreht und produziert (Evert Beewen von der KAG Kino-Kurzfilm) worden ist, war in den 1970er Jahren wahrscheinlich die Regel, lässt heute aber Fragen aufkommen. Von den drei Autoren über den Regisseur und den Kameramann bis hin zum Cutter (Manfred Porsche) und zum Komponisten setzen sich nur Männer mit Fragen der Schwangerschaft, vor allem aber mit der Möglichkeit der Verhütung und des Schwangerschaftsabbruchs auseinander.

„Wir spielen jetzt ein Ehepaar, ein typisches“: Im Mittelpunkt stehen Spielfilmszenen zweier nicht mehr ganz junger Leute, die sich vor der Kamera Georg Kilians selbst vorstellen als Hubert Walter (Alfred Müller), 32 Jahre, und Regine Walter (Marita Böhme), 28 Jahre. Die biologische Uhr tickt, weshalb sich Regine Gedanken über die Familienplanung macht. Auf der einen Seite steht die zu erwartende Doppelbelastung von Karriere und Familie, auf der anderen Seite die staatlicherseits ermöglichte Selbstbestimmung der Frau durch die Antibabypille und einen Schwangerschaftsabbruch. Beide bewohnen nur eine möblierte Wohnung, helfen sich im Studium gegenseitig. Doch das erste Kind lässt Regine das Studium abbrechen, das 2. Kind ist für ihre beruflichen Ambitionen eine Katastrophe.

Allerdings galt zur Entstehungszeit des Films noch das am 27. September 1950 in Kraft getretene „Gesetz zum Mutter- und Kinderschutz und der Rechte der Frau“ mit einer recht strengen medizinischen und eugenischen Indikationsregelung. Es wurde flankiert vom konsequenten Ausbau von Krippen- und Kindergartenplätzen zur Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Mutterschaft. Ab Mitte der 1960er Jahre wurde durch interne, nicht-öffentliche Richtlinien eine sozial-medizinischen Indikation ermöglicht, doch erst als Erich Honecker 1971 Erster Sekretär des Zentralkomitees (ZK) der SED wurde, konnte Inge Lange als Leiterin der ZK-Arbeitsgruppe Frauen die Einführung der begründungslosen dreimonatigen Fristenregelung auf den Weg bringen, die am 9. März 1972 in der Volkskammer mit dem „Gesetz zur Schwangerschaftsunterbrechung“ beschlossen wurde.

Erst vor diesem Hintergrund erschließen sich die kontroversen Standpunkte im dokumentarischen Teil des Films „Kalender einer Ehe“. Die befragten Ärzte plädieren aus medizinischen Gründen mehrheitlich für den Status Quo, sprechen beim Abbruch von einem schweren Eingriff, der bei zahlreichen Frauen zu Unfruchtbarkeit führen kann. Eine Richterin, die in Jugendclubs mit potentiell künftigen Eltern über die hohe Scheidungsrate junger Paare in der DDR spricht, erklärt, dass etwa ein Drittel der Ehen aufgrund einer Schwangerschaft ohne den Prozess des gegenseitigen Kennenlernens geschlossen werden.

Bei einer 17-jährigen Chemiestudentin im 3. Semester mit Baby müssen ihre Eltern einspringen, weil die Universität keine Krippe unterhält. Eine Arbeiterin im Narva-Glühlampenwerk will sich weiterqualifizieren und stößt bei Kollegen auf Unverständnis: Sie habe doch Mann und Familie. Allerdings gibt es eine betriebseigene Krippe. Am Ende des 28-minütigen Films, der am 22. Januar 1971 im Beiprogramm in den Kinos startete, steht die Aussage, dass die „Pille“ die „sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung“ der Frau ermögliche und so ein wichtiges Instrument zur Gleichberechtigung der Frauen sei.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Screening:

Uraufführung (DD): 22.01.1971

Titles

  • Originaltitel (DD) Kalender einer Ehe

Versions

Original

Screening:

Uraufführung (DD): 22.01.1971