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All Credits
Director
Screenplay
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Director of photography
Art director
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Editing (other)
Sound design
Audio mixing
Music
Voice
Production company
Producer
Unit production manager
Duration:
93 min
Format:
DCP 2k, 16:9
Video/Audio:
Farbe, Surround 5.1
Screening:
Uraufführung (DE): 23.10.2024
Titles
- Originaltitel (DE) Die Allee
Versions
Original
Duration:
93 min
Format:
DCP 2k, 16:9
Video/Audio:
Farbe, Surround 5.1
Screening:
Uraufführung (DE): 23.10.2024
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Der hat 1990 schon einmal in einem Kurz-Dokumentarfilm für den Deutschen Fernsehfunk (DFF) einige Bewohner der Stalin-, Karl-Marx- oder, wie sie jetzt nach der Wende heißt, Frankfurter Allee befragt, Zeugen einer bewegten Aufbruchzeit der noch jungen Arbeiter- und Bauernrepublik in der Sowjetischen Besatzungszone, darunter seine Tante Lotte. Gut dreißig Jahre später – und in Farbe – befragt Sven Boeck in einem immer wieder sehr persönlichen Film zunächst sich selbst: Seinen ehemaligen Weg zur Schule, deren Leitung einst seine Klassenzeitung einkassiert und damit Freundschaften zerstört hat, befährt er jetzt auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad, wie Ko-Kameramann Matthias Tschiedel beglaubigt.
Ausgangspunkt ist die Dauerbaustelle Alex: „Totgeschlagen haben wir unseren Staat selbst, ausgeweidet haben ihn andere.“ Boeck, der zumeist selbst das Wort ergreift, manchen melancholischen Abgesang aber auch der Ko-Sprecherin Claudia Mehnert überlässt, blickt mit historischen Fotos und Filmausschnitten zurück, auf die U-Bahn-Linie „E“, die in den 1930er Jahren in die Arbeiterbezirke des Berliner Ostens führte und inzwischen als „U 5“ bis zum heutigen Hauptbahnhof verlängert worden ist. Zeigt den Aufbau der nach Stalin benannten Prachtallee und wie dessen Nachfolger Leonid Iljitsch Breschnew mit Erich Honecker eine Parade abnimmt.
Margit Deike, eine Freundin der Mutter des Dokumentaristen, schildert die Aufmärsche am jährlichen Tag der Arbeit in der Allee, für die Balkone mit extra breiten Fahnen geschmückt werden mussten. Aus ihrer Sicht lebt heute noch etwa ein Fünftel der ursprünglichen Bewohner aus den 1950er Jahren in den seinerzeit hochmodernen Komfortwohnungen. Am Kino International mit der Honecker-Loge hängt das Plakat zum Film „Die Allee“, während das zweite Uraufführungskino der Hauptstadt, Kosmos, nur noch als Kongresszentrum dient – und das legendäre Café Moskau gegenüber nach der Privatisierung im Dämmerschlaf liegt. Was Christine Schmidt, die in der Allee wohnende dramaturgische Beraterin Boecks, als begeisterte Kinogängerin natürlich bedauert. Andererseits zeichnet sie ein sehr differenziertes Bild der eigenen wie der DDR-Geschichte.
Die Bauten des DDR-Architekten Hermann Henselmann im neoklassizistischen Zuckerbäckerstil weisen zahllose Details auf, die der flüchtige Betrachter zumeist gar nicht wahrnimmt wie die Zitate aus Goethes „Faust“ oder die Brecht-Texte an den Turmhäusern Strausberger Platz. „Die Allee“ wird dann zu einer essayistischen Eloge auf die geradezu luxuriöse Gestaltungsvielfalt dieses kulissenartigen Solitärs, der sich nur unweit der U-Bahn-Station Weberwiese mit der dahinterliegenden Blockbebauung verzahnt.
Im Zusammenhang mit Auftragsarbeiten im Stil des Sozialistischen Realismus, welche die Bilderstürme der Wende im einstigen U-Bahnhof Marchlewskistraße überlebt haben, lässt Boeck in einem Ausschnitt aus seinem DFF-Kurzfilm „Stalinallee – Archäologische Studie“ noch einmal den Maler Gabriele Mucci zu Wort kommen, der als Kommunist in der „Allee“ wohnte und 2002 im Alter von 103 Jahren starb. Mit ungewöhnlichen, immer wieder überraschenden Kameraperspektiven werden Ausstattungsdetails der (Innen-) Architektur in den Mittelpunkt gerückt.
Boeck unternimmt auch kleine Exkursionen, etwa zum Theater an der Parkaue, zu einer Traglufthalle für Obdachlose auf dem Areal eines ehemaligen Containerbahnhofs und zur ehemaligen Stasi-Zentrale am U-Bahnhof Magdalenenstraße („volkseigenes Unrechtsregime“). Und wird immer wieder sehr persönlich, wenn er etwa über seinen Vater erzählt, der 1953 zu Stalins Tod die Trauerfahne hielt. Die Frage danach, was von der auch selbst erlebten Vergangenheit geblieben ist, durchzieht den ganzen sehr subjektiv erzählten 93-minütigen Film, der in Teilen eher Statement als Dokumentation ist und am 23. Oktober 2024 im Kino Toni in Berlin-Weißensee im Rahmen des ND-Filmclubs uraufgeführt worden ist.
Pitt Herrmann