Chemie und Liebe

Deutschland (Ost) 1947/1948 Spielfilm

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Falk Schwarz
Kennst Du das Land...?
Was wollten die Menschen sehen im schlimmen Jahr 1948? Menschliche Tragödien in den Ruinen, die jedermann täglich vor Augen hatte? Oder Romanzen, abgehoben von der Zeit? Oder eher im luftleeren Raum - Kabarett? Käutner verfilmte „Der Apfel ist ab“ und dröselte mit viel Ironie die Menschheitsgeschichte auf. Und hier? Man will ein Märchen erzählen, so sagt es der Sprecher Alfred Braun. Chemie und Liebe - was könnte sie verbinden? „Chemie ist die Lehre von den Umwandlungen des Stoffes, Liebe ist die Lehre von der Wandlung der Herzen“. Aha. Also macht sich Hans Nielsen als Chemiker daran, aus Gras unter Umgehung der Kuh Butter zu fertigen. Denn danach lechzten alle: Butter war rar in diesen Jahren. Doch bevor noch das erste Quentchen Butter erzeugt ist, reissen sich bereits die Konzerne um das Patent, versuchen den Chemiker und „Erfinder“ unter Druck zu setzen und hetzen ihm die schönsten Frauen auf den Hals, damit sie an das Patent kommen. Schließlich fragt ihn eine Psychologin: „Träumen sie erotisch?“. Er darauf: „Nein, chemisch“. Dabei wäre doch alles so einfach, wenn er seine Assistentin, die hübsche Tilly Lauenstein, einfach erhören würde und erkennen könnte, dass sie ihn von Herzen liebt und für ihn genau die richtige ist. Später kommt es dann auch so. Aber zuvor wird gelabert, mit Verve, mit Tempo und allerhand kapitalistischer Schnickschnack wird vorgeführt: zigarrerauchende Bosse, das Menschenmaß übersteigende Fabrikbauten, Querelen, Sottisen, Korruption, Gier, denn „mit Geld lässt sich alles kaufen“ und letztlich reimt sich alles auf Profit (eindrucksvoll als Superboss: Arno Paulsen). So erschöpft sich dieser Defa-Film in einer zynischen Burleske auf den Kapitalismus und seine Verzerrungen. Das Schlussstatement ist von zeitloser Schönheit: „Ich möchte gern das Land kennenlernen, wo es keine Konzerne gibt, wo das Geld nicht regiert, wo die Menschen glücklich leben“. Sollte dieses Land „DDR“ heißen?
Heinz17herne
Heinz17herne
„Chemie ist die Lehre von den Umwandlungen des Stoffes. Liebe ist die Lehre von der Wandlung der Herzen“: Wie ein einem populärwissenschaftlichen Vortrag erläutert ein Dozent (Alfred Braun wird später als Sprecher, Kommentator und unmittelbar ins Geschehen eingreifender Spiritus rector in zahlreichen Rollen zu sehen sein) vom Stehpult aus die Verbindung von Chemie und Liebe. Mit seinem Zeigestock verweist er auf die Leinwand hinter sich, auf welcher der ein ganzes Stadtviertel umfassende „Zellulose-Concern“ zu sehen ist, sozusagen die Entsprechung der Siemens-Stadt auf der anderen Seite des Brandenburger Tores.

Dr. Michael Alland betreibt ein selbständiges Chemielabor und träumt davon, nicht länger für die Produktion von Heftpflastern oder Mottenkugeln forschen zu müssen an der Seite seiner attraktiven Assistentin Martina Holler. Die bis über beide Ohren in ihren Chef verliebt ist, sich aber nicht traut, sich einem Mann zu offenbaren, der einer Psychologin auf die Frage: „Träumen Sie erotisch?“ antwortet: „Nein, chemisch.“

Alland setzt alle Kraft auf eine bahnbrechende Entdeckung, die gerade in der unmittelbaren Nachkriegszeit von allergrößter auch ökonomischer Bedeutung wäre: Die Herstellung von Butter direkt aus Gras unter Umgehung der landwirtschaftlichen Milchviehhaltung. Das Gerücht allein löst unermessliche Gewinnphantasien des raffinierten Kapitalisten und eleganten Verführers Da Costa aus, der in der Folge als Diener zweier Herren die Strippen zieht.

„Jeder Mensch ist käuflich“: Auf der einen Seite mit C.D. Miller, dem Boss des „Zellulose-Concern“, ein aus kleinen Verhältnissen stammender Aufsteiger, der sich ohne dicke Zigarre im Mundwinkel nicht aus seinem Büro wagt. Auf der anderen Seite der großbürgerliche Cornelius Vandenhoff, Boss des „Nitro“-Konzerns, der ohne jede Skrupel seine verwöhnte Tochter, Marquise Georgia Spaldi, auf den weltfremden Hagestolz ansetzt. Was naturgemäß Gegenmaßnahmen provoziert: Miller bringt das reizende Ballettmädchen Aimée samt Coca Cola in ihrem Kühlschrank ins Spiel, und bei ihr könnte der knöcherne Chemiker weich werden.

Was auch die sogleich eifersüchtige Martina auf den Plan ruft. Da Costa, der mit Dr. Brose ein U-Boot ins rasch expandierende, von beiden Konzernen mit erheblichen Finanzmitteln ausgestattete Labor einschmuggeln konnte als rechte Hand Michael Allands, ist stehts auf dem Stand der jüngsten Entwicklungen – beruflich und privat. Seine Sekretärin Nelly und eine gut bestückte Bar sorgen für ein Übriges, wenn es irgendwo ‘mal hakt.

Als sich beide Bosse zufällig im Schwitzbad treffen und jeder von seiner tollen Investition bei Dr. Alland schwärmt, kommt Da Costas Tanz auf zwei Hochzeiten heraus. Doch der windige Geschäftemacher kann einmal mehr seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, indem er den beiden Konkurrenten ein Kompensationsgeschäft vorschlägt. Und die schrecken nun vor nichts mehr zurück: Als sich herausstellt, dass nur ein bestimmtes Nordland-Moos zur Butterherstellung geeignet ist, brechen die Konzernchefs einen Militärputsch vom Zaun, um sich exklusiv die Ressourcen zu sichern. Ganz nebenbei entpuppen sich die Kapitalisten als Kulturbanausen, indem sie sich im Trocadero-Club, aus dem Aimée engagiert worden ist, nicht weiter beim Geschäftemachen stören lassen vom Klaviervirtuosen, der sich förmlich die Seele aus dem Leib spielt.

Als Dr. Michael Alland endlich ein Licht aufgeht, dass weder die schnucklige Ballettratte noch die so mondäne wie verrückte Marquise die Richtige für ihn ist, sondern entweder die treue Seele von Martina Holler oder keine, rächen sich die Wissenschaftler an den Konzernbossen. Michael und Martina lassen absichtlich das letzte, entscheidende Experiment scheitern und machen sich, was wörtlich genommen werden kann, aus dem Staub. Das letzte Wort hat der Sprecher, nachdem Alfred Braun zuvor u.a. als Taxifahrer, Telefon-Entstörer und Konzernboss-Butler die Geschicke der beiden Liebenden stets im Auge behielt: „Ich möchte gern das Land kennenlernen, wo es keine Konzerne gibt, wo das Geld nicht regiert und wo die Menschen glücklich sind.“

Womit in dieser frühen antikapitalistischen Defa-Komödie nur die Sowjetische Besatzungszone gemeint sein kann, aus der gut ein Jahr nach der Uraufführung die DDR hervorgeht. Sie basiert auf „Himmlische und irdische Liebe“, dem Exposé einer „marxistischen Komödie der Ideologien“ von Béla Balász aus dem Jahr 1930, das Sergei Eisenstein in der Sowjetunion zu einer Theaterkomödie umarbeitete. Nach dem Krieg sicherte sich die Deutsche Film AG die Rechte an dem Stoff und machte zur flotten Musik Theo Mackebens ein Märchen daraus, so Schwarz-Weiß wie die Bilder der Kamera Bruno Mondis. Die Presse in der SBZ war naturgemäß zufrieden: „Eine übermütig quirlende Satire auf die Welt des Kapitalismus“ lobte die (Ost-) Berliner Zeitung bereits vorab am 6. März 1948.

Pitt Herrmann

Credits

Director of photography

Editing

Cast

All Credits

Director of photography

Optical effects

Production design

Costume design

Editing

Cast

Unit production manager

Original distributor

Duration:
2678 m, 98 min
Format:
35mm, 1:1,33
Video/Audio:
s/w, Ton
Screening:

Uraufführung: 01.06.1948, Berlin, Babylon

Titles

  • Originaltitel (DD) Chemie und Liebe

Versions

Original

Duration:
2678 m, 98 min
Format:
35mm, 1:1,33
Video/Audio:
s/w, Ton
Screening:

Uraufführung: 01.06.1948, Berlin, Babylon