Esperanza

Deutschland 2005/2006 Spielfilm

Esperanza


Zu Silvester nach Dänemark? Warum nicht. Nur empfiehlt sich die rechtzeitige Anreise. Andernfalls kann es einem so ergehen wie jenen neun Passagieren, die ihre Fähre von Rostock nach Kopenhagen verpasst haben und sich in ihrer Not auf den in die Jahre gekommenen Vergnügungsdampfer "Esperanza" locken lassen. Der Name bedeutet "Hoffnung" auf Spanisch. An Bord stellt sich das versammelte Hoffen, Glauben, Lieben dann als ein ganzes Arsenal an gebastelten Gefühlen und Lügengebäuden heraus. Die Selbstkonstruktionen krachen erst am Ende restlos in sich zusammen, und natürlich wird dieses Narrenschiff erst anlegen, wenn Silvester vorbei ist, sich unverhoffte Allianzen und neue Paare gebildet haben und die alten, versenkten und verdrängten Probleme zur Sprache gekommen sind.

"Esperanza" ist der Spielfilm-Erstling des Ungarn Zsolt Bács, der deutschen Fernsehzuschauern durch diverse TV-Rollen bekannt sein könnte. Die Rolle des cholerischen Schiffskochs Béla hat sich Bács selbst auf den Leib geschrieben. Bemühter Running Gag des Films sind Bélas ausgefallene Zutaten für das Silvestermenü, darunter Tränen, Maschinenöl und Mövendreck. Komplettiert wird die Schiffsmannschaft von einem quirligen Smutje, einem stummen Maschinisten und dem unsichtbaren Kapitän, der für Passagiere und Publikum nur als brummbärige Stimme Ben Beckers aus dem Off ertönt. Im folgenreichen Spiel mit dem Schicksal der Anwesenden halten Kapitän und Crew alle Fäden in der Hand. Am glücklichen Ausgang der tragikomischen Versuchsanordnung kommt daher wenig Zweifel auf: Die suizidal veranlagte Konstanze wird an Bord den Mann ihres Lebens finden, die zugeknöpfte Staatsanwältin Jasmin den Vamp in sich entdecken, der Möchtegern-Mörder Henry wird seine Pistole ins Meer schleudern und der alternde Maler Albert seinen Frieden finden.

Das "Kammerspiel"-Rezept – man stecke eine Schar verirrter Seelen in eine Nussschale, auf dass sie nach geraumer Zeit ihr Teilzeitgefängnis geläutert verlassen können – ist hinlänglich bekannt und funktioniert vor allem dort, wo der Zuschauer mit starken Figuren und überzeugenden Konflikten konfrontiert wird; als klassische Beispiele seien John Fords Postkutschendrama "Stagecoach" (fd 12163) und Alfred Hitchcocks "Lifeboat" (1943) genannt. In beiden Fällen vergisst man die lenkenden Hände der Autoren und Regisseure schnell, während im stampfenden Herzen der Esperanza ein "deus ex machina" sitzt, der permanent an die Konstruktion der Ereignisse erinnert: Der Maschinist namens King Kong schraubt in seinen Arbeitspausen an Taschenuhren, die als aufdringlich-symbolische Platzhalter für die neun Passagiere fungieren.

Vernehmlich tickt die Mechanik der Story: Wie so häufig, trägt auch hier das prätentiöse, heillos überladene Drehbuch die Hauptschuld an der Havarie der "Esperanza". Das Gros der Geschichte wirkt wie aus Filmen von Fellini, Kusturica, Kaurismäki und Jeunet importiert. Alle Figuren werden via Kapitänsstimme bereits zu Filmbeginn vorgestellt, überflüssigerweise, denn Charaktere entfalten sich am eindrücklichsten durch die Handlung. Doch eben die tuckert in gemütlicher Reisegeschwindigkeit dahin. Bernhard Wagners stimmungsvolle Kamera und Férenc Snétbergers muntere Gitarrenmusik retten an Atmosphäre, was zu retten ist. Das Star-Aufgebot – unter anderen geben Anna Thalbach, Boris Aljinovic, Frank Giering, Mavie Hörbiger und Alt-Indianer Gojko Mitic ihr Bestes – grenzt einerseits an Verschwendung, sorgt andererseits dann doch dafür, dass man bis zum Nachspann durchhält. Auch im Kino stirbt die Hoffnung zuletzt.

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