Schatten

Deutschland 1923 Spielfilm

Zur Zensurgeschichte von "Schatten" (1923) und "Die Nacht der Erkenntnis" (1928)

von Jeanpaul Goergen

Der Film "Schatten", von der Pan-Film GmbH für die Deutsch-Amerikanische Film-Union hergestellt, wurde am 19. Juli 1923 von der Filmprüfstelle unter der Nummer B 7460 ohne Schnittauflagen mit einem "Jugendverbot" für öffentliche Vorführungen freigegeben. Die vier Akte verteilten sich auf 2002 Meter (97'32" bei einer angenommenen Vorführgeschwindigkeit von 18 Bildern pro Sekunde). Die Zulassungskarte ist nicht erhalten. Auf der Einladungskarte zur Pressevorführung am 26. Juli firmierte er als "Schatten. Eine nächtliche Halluzination"; er enthielt keine Zwischentitel.

Erhalten ist eine Zensurkarte mit der gleichen Nummer und dem gleichen Datum wie bei der Erstzensur, allerdings mit den Zusätzen "ausgefertigt am 13. Juni 1924" sowie "ausgefertigt am 24. Februar 1928." Die Zulassung erfolgte wieder ohne Schnittauflagen und dem "Jugendverbot". Der Titel lautete nun "Schatten – Die Nacht der Erkenntnis". Der Film hatte weiterhin vier Akte, war aber mit 2036 Meter (= 99'13") etwas länger geworden, was auf einige Zwischentitel im 1., 2. und 4. Akt zurückzuführen ist. Die Vermutung liegt nahe, dass der Film von vielen Zuschauern nicht verstanden wurde und daher eine zweite Fassung mit Titeln verbreitet wurde. Unklar ist dagegen, worauf die Ausfertigung der Zensurkarte am 24. Februar 1928 zurückzuführen ist.

Am 9. März 1928, zwei Wochen nach dieser Ausfertigung, passierte "Schatten" erneut die Filmzensur, diesmal als "Die Nacht der Erkenntnis" und dem Untertitel "Eine Geschichte von Liebe und Leidenschaft". Antragsteller war erneut die Deutsch-Amerikanische Film-Union. Die Zensur hatte wieder keine Einwände, der Film blieb weiterhin für Jugendliche verboten. Die Prüfstelle gab außerdem den Begleitvortrag frei. Der Film bestand nun aus fünf Akten und war mit 1721 Metern (83'52") deutlich kürzer als bei der Erstzensur. Laut Zulassungskarte B 18419 wurde er als Vortragsfilm von dem Unternehmen Hans Woodtli, Lehr- und Kulturfilme, verliehen. Auch diese Fassung enthielt Zwischentitel, allerdings andere als die Zweitzensur. Dort hieß es beispielsweise eingangs: "In jedem Menschen leben zwei Seelen – Vernunft und Leidenschaft – die sich wie Licht und Schatten gegenüberstehen. Die Tragödie, die sie sehen werden, ist nur ein Spuk eines weisen Schattenspielers." Der erste Titel der Zensur vom 9. März lautete dagegen: "Wir erzählen die seltsame Geschichte einer Leidenschaft, die zwischen Wachen und Träumen spielt."

Das nebenstehende Plakat aus Neustadt (Oberschlesien) [heute: Prudnik, Polen] – freigegeben am 21. Dezember 1928 – wirbt für diese Lehrfilm-Fassung. Es stellt "Die Nacht der Erkenntnis" als "Musik-Ton-Film" und als "ersten Schallplatten Vortrags-Film" vor. Auch der einleitende Vortrag des Arztes Curt Thomalla, Autor zahlreicher medizinischer Kultur- und Lehrfilme der Ufa, kam von Schallplatten der Marke Electrola. Mit der vollständigen Musikbegleitung eines langen Spielfilms durch Schallplatten betrat "Die Nacht der Erkenntnis" durchaus Neuland; leider ist nicht bekannt, ob es sich dabei um eine eigens komponierte Musik oder – was wahrscheinlicher ist – um Schallplatten aus dem Handel gehandelt hat. Eine synchrone Vorführung wie einige Jahre später beim Plattenton dürfte es aber nicht gegeben haben. Dass auch der Vortrag von Schallplatte abgespielt wurde, war ebenfalls neu. So sparte der Verleih sowohl die Kinomusiker als auch die Reise- und Übernachtungskosten des Vortragenden.

1928 stufte die Bildstelle des Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht diese Fassung als "künstlerisch" ein. Sie kritisierte aber die Absicht, "Die Nacht der Erkenntnis" als Lehrfilm mit einem psychologischen Einleitungsvortrag herauszubringen, als "misslungener Versuch am untauglichen Objekt." Vor allem den Zwischentitel stand die Bildstelle ablehnend gegenüber: "Nüchtern-stimmungslos, lehrhaft-deutlich zerstören die wenigen in das Bildwerk neuerdings hineingepressten Titel die künstlerische Freiheit der Auslegung..." (Mitteilungen des Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht, Nr. 16/17, 12.4.1928)

In der Bundesrepublik reichte die Transit-Film (München) am 10. April 1995 den Film unter dem neuen Titel "Schatten – Eine nächtliche Halluzination" bei der Freiwilligen Selbstkontrolle ein; diese notierte eine Länge von 1710 m (83'20"). Nun durften auch Jugendliche den Film sehen.

(September 2023)

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