Der Biberpelz

Deutschland (Ost) 1949 Spielfilm

Zwei Inszenierungen – zwei Wege


Gerhard Schoenberner, Der Tagesspiegel Berlin, 9.9.1990


Die Diebeskomödie "Der Biberpelz", ein Jahr nach dem Drama "Die Weber" entstanden, ist das zweite Meisterwerk des jungen Gerhart Hauptmann. Umgeben von einem reichen Ensemble sozialpsychologisch genau gezeichneter Nebenfiguren, das die glänzende Beobachtungsgabe des Dramatikers zeigt und einen farbigen Querschnitt durch die deutsche Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gibt, stehen sich hier zwei Protagonisten gegenüber, die zwei soziale Klassen verkörpern: Auf der einen Seite der Amtsvorsteher, Baron von Wehrhahn, der die Diebe vor der Haustür nicht mehr sieht, weil er mit der Verfolgung angeblicher Staatsfeinde beschäftigt ist. Auf der anderen die Mutter Wolffen, eine arme Waschfrau und listige Diebin, mit der Pfiffigkeit und dem Mutterwitz des Volkes begabt, die ihn erfolgreich hinters Licht führt. (…)

"Der Biberpelz" ist wenigstens dreimal für den Film adaptiert worden, 1937 durch Jürgen von Alten, 1949 durch Erich Engel, schließlich noch 1962 durch John Olden in einer laut InterNationes-Katalog "werkgetreuen Fernsehinszenierung" des NDR, die im Zusammenhang mit unseren Überlegungen aber außer Betracht bleiben kann. Die Geschichte der beiden ersten Verfilmungen dagegen ist umso interessanter.

Die politischen Implikationen, die im Stück angelegt sind, auch nur zu benennen, war unter der Ägide des NS-Propagandaministeriums natürlich ganz ausgeschlossen. Um den Stoff überhaupt verfilmen zu können, mußte man massive Eingriffe vornehmen. Um ihn "politisch unbedenklich" zu machen mußten alle politischen Bezüge eliminiert werden. (…)

Hauptmann hat die Verfilmung, mit der ihm im "Dritten Reich" zu seinem 75. Geburtstag Reverenz erwiesen wurde, durch einen Vorspruch legitimiert, in dem er sich vage auf den Berliner Humor zurückzieht, der ihn inspiriert habe, den politisch-historischen Hintergrund des Stücks und die nachträglichen Eingriffe aber natürlich nicht erwähnt.

In der Bearbeitung des Stoffes für die DEFA geht Erich Engel den umgekehrten Weg. Er verstärkt die politischen Bezüge, macht aus dem Dr. Fleischer einen Sozialisten und aus der Wolffen eine proletarische Mutter Courage. Es ist eine Einladung zu befreitem Gelächter an ein Publikum, das sich im Augenblick des überholten Gestern bewußt werden sollte und in großen Teilen sicher auch war. Die große Heiterkeit des Films kommt aus der fröhlichen Gewißheit, daß die Epoche der Wehrhahns und ihresgleichen abgelaufen ist und ein neues Zeitalter begonnen hat. Mutter Wolffen und Dr. Fleischer schienen da, höchst zeitgemäß, das Bündnis von Arbeiterklasse und Intelligenz zu verkörpern.

Der Film, seinerzeit eher unterschätzt und lange Zeit vergessen, bis ihn das Arsenal 1981, zusammen mit von Altens Version, im Filmprogramm zum Preußenjahr erneut zur Diskussion stellte, erweist sich beim Wiedersehen nach so vielen Jahren als erstaunlich lebendig und haltbar. Er bleibt eine große Leistung dieses bedeutenden Regisseurs und ein früher Klassiker der DEFA. Erich Engel beherrscht, um Bertolt Brecht abzuwandeln, die Kunst des Leichten, das schwer zu machen ist. Leichtigkeit und Heiterkeit, welch rare Tugenden hierzulande, lassen diesen Film auch nach vier Jahrezehnten noch immer leuchten und machen ihn zu einer glücklichen Entdeckung.

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