Peanuts - Die Bank zahlt alles

Deutschland 1995/1996 TV-Spielfilm

Peanuts – Die Bank zahlt alles


Horst Peter Koll, film-dienst, Nr.06, 12.03.1996

Hallo, Herr Schneider!", rief die "BILD"-Zeitung im Februar 1996 auf ihrer Titelseite und stellte dem 61jährigen "Pleite-Milliardär" Jürgen Schneider sein "neues Zuhause" vor: eine "9-qm-Zelle mit Mini-Wandregal, Billig-Klo und Stahlrohrbett mit gestreifter durchgelegener Matratze". Mit außergewöhnlicher Häme reagierte die deutsche (Boulevard-)Presse auf den Fall des bankrotten Immobilienunternehmers, der in Deutschland Schulden von fünf Milliarden DM hinterließ und sich, zwei Jahre nach seiner Flucht nach Miami, in Frankfurt wegen Kreditbetrugs, Urkundenfälschung und betrügerischen Bankrotts zu verantworten hat. Tatsächlich schreien Schneiders Aufstieg und Fall nach einer satirischen Aufbereitung, und daß ausgerechnet das deutsche Kino hier schnell reagiert hat, ist (abgesehen von "Schtonk!", fd 29 455) ein immer noch bemerkenswerter Ausnahmefall. Aus Jürgen Schneider wurde Jochen Schuster, aus der Deutschen Bank die "Germanische Bank", die dem erfolglosen 45jährigen Frankfurter Bauunternehmer zunächst (es ist das Jahr 1989) noch alle Kredite zur Sanierung seines maroden Betriebes verweigert. Erst als Schuster in einem rebellischen Aufbäumen dem Rat der Prostituierten Madeleine folgt und beschließt, ein für allemal mit seinem Kleinkreditdenken aufzuhören, stellt sich der Erfolg ein. Äußerlich zum (Klischee-)Bild eines Erfolgsmenschen gewandelt, der den Vorstand der Bank beeindruckt und blendet, verfügt Schuster schon bald über Zusagen in Millionenhöhe, erwirbt sanierungsbedürftige Großprojekte und gebärdet sich als Baugenie und Erneuerer des deutschen Kulturgutes. Und während Bundeskanzler Kohl "predigt", daß Wirtschaft und Soziales möglichst schnell wieder eins werden müssen, und die Wiedervereinigung Deutschlands große Aufgaben für Schuster bereithält, dienen ihm die Banken pausenlos neue Millionenkredite an. Gemeinsam mit seinem Schwager, einem Immobilienhändler, seinem Bruder sowie einer Jugendliebe (die einst seine Dissertation schrieb) als Pressesprecherin schreibt Schuster deutsche Geschichte – dies am Ende ganz anders, als er es sich erträumt hat.

Das eigentlich Skandalöse am "Fall Schneider" besteht wohl weniger in der kriminellen Energie eines einzelnen als in der mangelnden Voraussicht des deutschen Top-Managements, das sich allzu bereitwillig auf ein windiges Millionenspiel einließ. Daß letztlich die Banken selbst für ihre dubiosen Kreditgeschäfte verantwortlich zu machen sind, ist denn auch die These der Komödie, die ihre Hauptfigur eher als liebenswert-versponnenen Kindskopf darstellt, der ständig zwischen persönlicher Profilierungssucht und Größenwahn pendelt und dabei im Grunde durchaus "menschlich" ist: ein von den Großen lange Zeit Gebeutelter, der fast aus Verzweiflung zum Gegenschlag ausholt, um Würde und Existenz zu retten und eigentlich gar nichts dafür kann, daß er eine derartige Lawine auslöst. Schnell, so der Film, verselbständigen sich die Dinge, greifen Mechanismen, steuert jeder seinen persönlichen Dünkel hinzu: Jeder ist verführbar, die Gier nach Macht, Reichtum und Erfolg macht alle blind bzw. korrupt. Schneider wird wortwörtlich zu dem gemacht, was er ist: "Man muß ihn so sehen wie Gott bei der Schöpfung – und wir alle leben im Paradies!", formuliert die erfindungsreiche Pressesprecherin einmal. Flott und pointiert bringt auch der Film die Geschichte auf den Punkt, gute Darsteller verleihen ihr die nötige Substanz. Die Inszenierung überschreitet freilich nur selten die "Gesetze" handelsüblicher (Fernseh-)Satire, bedient lieber gängige Vorstellungen als anzuecken oder gar eigenwilligeigenständig weiterzudenken. Die stereotype Lust des Zuschauers an den Verbrechen in der Welt der Reichen wird auch hier eher bedient, als daß der Film wirklich die Ereignisse aufhebelt und als das analysiert, was der "Fall Schneider" ist: ein Spiegelbild deutscher Wirtschaftspolitik und Wirtschaftskultur.

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