Goya

DDR UdSSR 1970/1971 Spielfilm

Goya – der Weg zur Erkenntnis


Rolf Richter, Sonntag, Berlin/DDR, Nr. 40, 1971


"Goya" ist der elfte Film von Konrad Wolf. Erstaunlich ist die Beharrlichkeit, mit der dieser Regisseur seine Begabung ausgearbeitet hat. Die Betonung liegt nicht so sehr auf einer sofort sichtbaren individuellen künstlerischen Handschrift, als vielmehr in der angemessenen Behandlung seiner Vorhaben. Sein Talent zeigt sich in der Genauigkeit und Aufrichtigkeit, mit der er seine Vorhaben verwirklicht. Die Schritte zur Meisterschaft sind zugleich die Bewältigung neuer und die Vertiefung einmal gewählter Themen. In der Stoffwahl zeigt Wolf ebensoviel Konsequenz und Sicherheit gegenüber den eigenen Möglichkeiten wie gegenüber den Erfordernissen unserer Zeit. So unterschiedlich die einzelnen Filme sein mögen, haben sie doch einen zentralen Punkt: die Gestaltung der vielfältigen, oft verschlungenen Prozesse, durch die der Mensch zur Erkenntnis seiner Epoche kommt, und wie er dieser gerecht wird. "Goya" ist kein Sonderfall im Schaffen Wolfs; mit diesem Film fügt er wie schon mit "Der geteilte Himmel" und "Ich war neunzehn" seinem Thema eine neue Ebene hinzu. Der Weg in die Geschichte ist für Wolf ein notwendiges Moment, sein Problem zu erfassen.

Feuchtwanger beschwor mit seinem Roman eine humanistische Tradition, um am Beispiel eines Kampfes gegen die historische Reaktion den Widerstand gegen die zeitgenössische zu unterstützen. (…)


Das Bemühen um Prägnanz und Überschaubarkeit der Handlung kann mit sich bringen, daß komplizierte Zusammenhänge zu sehr aufgegliedert werden und einzelne Elemente sich so nebeneinanderher entwickeln. Das scheint uns ein Problem des Films zu sein. "Goya" will zugleich ein Geschichtsbild und eine Persönlichkeitsentwicklung geben. Im ersten Teil dominiert das weitgespannte Gesellschaftsbild. Die Akteure der historischen Situation werden vorgestellt. Es wird über Goyas gesellschaftlichen Auf­stieg und die Rolle seiner Malerei debattiert. Es gibt eine Reihe bemerkenswerter Szenen – etwa das Inquisitionstribunal, den Zweikampf zwischen Goya und dem König, der Empfang des französischen Botschafters –, die Auftritte Goyas aber verlieren sich ein wenig in der Fülle der Ereignisse. Ebenfalls ist er in diesem ersten Teil häufig Beobachter, Gast oder Zuhörer, zu wenig selbst Handelnder. Die Intensität, ja Exzentrik – was nicht nur kritisch gemeint ist –, die Donatas Banionis seiner Holle gibt, hat in den Handlungen keine Entsprechung. Bauernschläue, Arbeitsbesessenheit und Daseinsgier allein erfassen den Charakter Goyas nicht. Die Vitalität erscheint zunächst ohne den Zwang zur und den Genuß an der Erkenntnis. Seine einzelnen Reaktionen, Haltungen, Stellungnahmen, so genau sie auch immer beschrieben sind, so sehr sie historische und individuelle Zusammenhänge erfassen, so sehr sie als Ausschnitt Vergnügen bereiten, schaffen wohl ein differenziertes Charakterbild, aber vermitteln nicht genügend das organische Erlebnis desselben.

Ein anderes Problem bei der Charaktergestaltung ergibt sich aus der Unmöglichkeit, das Ergebnis dieser Lebensintensität, die Malerei, vorzustellen. Die Umrisse des Charakters müssen hauptsächlich aus Goyas Verhalten ablesbar sein. In der Probe zum königlichen Familienbild etwa gelingt es, die Kompromißlosigkeit und Integrität des Malers zu zeigen. Vor gleichen Schwierigkeiten steht Fred Düren in der Rolle von Goyas Vertrautem, politischem Gewissen und Kritiker Estève. Er ist Interpret der Malerei und fordert den Zuschauer mit einem verblüffenden schauspielerischen Vermögen auf, das ihm unsichtbare Bildwerk zu erahnen, sich vorzustellen. (…)

Vergnügen, Probleme und Fragen beim Betrachten des Films und beim Nachdenken über ihn. Schon dies weist "Goya" als ein ungewöhnliches Werk aus.

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