Identity Kills

Deutschland 2001-2003 Spielfilm

Spiel ohne Ich-Grenzen

"Ich weiß nicht, wo ich anfange und wo ich aufhöre", sagt Karen (Brigitte Hobmeier) am Anfang in der Psychiatrie. Als wieder einmal die Schlagbäume zwischen ihr und der Welt fehlen. Akute Ich-Schwäche. Dann ist sie wieder zuhause bei Ben, der in ihrer Abwesenheit Partys feiert, seine Ex einziehen lässt und sich nichts Herrlicheres vorstellen kann als eine fette Stereo-Anlage und einen Sportwagen auf Raten. Karen arbeitet in einer Besteckfabrik, hält Wohnung und Konto in Ordnung und sieht ansonsten anderen, die mehr davon verstehen, beim Leben zu. Sie studiert das Expertinnentum junger selbstbewusster Frauen mit abgeschlossener Ausbildung und klaren Zielen. Schließlich stößt sie auf eine, die ist, wie Karen sein will: eine Hotelfachkraft, unabhängig, ehrgeizig, hübsch. Karen nimmt sich, was sie sieht. Identität ist schließlich nur eine Frage des Türschilds, der Kreditkarte und des Auftretens. Wer mitspielen will, soviel hat sie inzwischen begriffen, muss vor allem eines beherrschen: Adaption.

Sören Voigts Film "Identity Kills" erzählt nicht nur von den bizarren Überlebensstrategien einer jungen Frau mit fragmentierter Wahrnehmung. Er besichtigt auch eine Welt der Dienstleistungen und Zielgruppenanalysen, deren scheinbar reibungslose Abläufe etwas hochgradig Beängstigendes haben. Ohne Drehbuch und Proben mussten die Schauspieler ihre Figuren samt Dialoge selbst erfinden. Und wenn man Karen zusieht, wie sie ein Telefonat vortäuscht, wie sie sich immer energischer in ihren Part als erfolgreiche Geschäftsfrau hineinsteigert, wird man gleichzeitig also auch Zeuge bei der Entstehung einer Szene.

Quelle: Christian Buß, Birgit Glombitza (Red.): "Deutschland, revisited". (Katalog zur gleichnamigen Retrospektive im Kommunalen Kino Metropolis Mai - Juli 2004). Hamburg: Kinemathek Hamburg e.V., 2004

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