Abgefahren - Mit Vollgas in die Liebe

Deutschland 2003/2004 Spielfilm

Abgefahren – Mit Vollgas in die Liebe



Rolf-Ruediger Hamacher, film-dienst, Nr. 7, 01.04.2004

Vor 13 Jahren stiegen Til Schweiger und Tina Ruland in tiefergelegte Autos vom Typ "Manta" (fd 29 157), um dem deutschen Genrekino auf die Sprünge und dem Teenie-Publikum zu neuen Stars zu verhelfen. Das Ergebnis kennen wir: Til Schweiger rennt immer noch seinem Star-Image hinterher, Tina Ruland ist aus dem Kino verschwunden, und das deutsche Actionkino verhebt sich ein ums andere Mal, wenn es nach Hollywood schielt. So landet nach "Autobahnraser" (fd 36 388) nun auch "Abgefahren" auf dem Schrottplatz der Filmgeschichte. Schon die Handlung ist an Schlichtheit kaum zu unterbieten: Die 20-jährige Mia träumt davon, es der Rennfahrerin Jutta Kleinschmidt gleichzutun und die Rallye Paris-Dakar zu gewinnen. Also bastelt sie kräftig am VW Käfer ihrer Mutter herum, bis der Zufall sie mit dem Auto-Freak Cosmo und der nicht weniger rennverrückten Fahrlehrerin Sherin zusammenbringt. Beide verlieben sich in die schnuckelige Abiturientin und führen sie in die illegale Auto-Rennszene Münchens ein. Mia schlägt sich auf die Seite von Sherin und ihren beiden "Schrauber"-Freundinnen Liane und Britt, den ärgsten Konkurrentinnen des Szene-Stars Cosmo, und liefert sich auf und neben der Piste hitzige (Wort-)Duelle und moralisch zweifelhafte Wetten mit dem Macho. Als sie erkennt, dass hinter seiner rauen Schale doch ein weicher Kern steckt, ist es fast zu spät: Im entscheidenden Rennen rammt Liane ihren Ex-Geliebten von der Strecke, und Cosmo landet im Krankenhaus. Dort aber wartet in Gestalt eines Renn- Agenten schon das Happy End: Mia und Cosmo werden für die berühmt- berüchtigte Wüsten-Rallye verpflichtet.

"Abgefahren" offenbart einmal mehr die ganze Misere des deutschen Unterhaltungskinos von der Produktion bis zu den Darstellern; mit einem Produktionsetat von vier Mio. Euro drastisch unterfinanziert, um auch nur in die (technische) Nähe etwa eines Hollywood-Films wie "The Fast & The Furious" (fd 35 086) zu kommen, verantwortet von einem Produzenten, der nicht merkt, dass ein Großteil der von ihm zusammengestellten Crew überfordert ist. Hinzu kommt ein Regisseur, der als Vorbilder die Screwball-Komödien von Ernst Lubitsch und Billy Wilder nennt, bei seinem Kino-Debüt aber den Eindruck erweckt, als habe er deren Filme nie gesehen, und sich mit einem Drehbuch zufrieden gibt, das Stammtisch-Witze als Humor verkauft. Gleich drei Autoren haben sich beim Schreiben keine Gedanken gemacht, reihen Klischees aus dem Drehbuch-Zettelkasten aneinander und entwickeln nicht eine der Figuren zu Menschen aus Fleisch und Blut. Es ist geradezu erschreckend, wenn man liest, dass zwei dieser Autoren als Lehrer an Drehbuchschulen tätig sind: armer Filmnachwuchs! Da die Inszenierung in der Schauspielerführung nicht dagegenhält, kommt es zu einem Aufmarsch untalentiert erscheinender Schauspieler, von denen allenfalls Felicitas Woll erahnen lässt, dass sie mehr kann als sie bieten muss. Sebastian Ströbel ist etwas größer gewachsen als Til Schweiger, strahlt ansonsten aber die gleiche Langeweile aus, und Comedy-Star Sissy Perlinger verkommt einmal mehr zur Knallcharge. Allein die sorgfältig kadrierten CinemaScope-Bilder von Kamerafrau Sonja Rom haben in dieser aufgeblasenen Leinwandversion einer Fernseh-Seifenoper etwas mit Kino zu tun.

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