Bürgschaft für ein Jahr

DDR 1980/1981 Spielfilm

Die Verantwortung des Einzelnen für sein Leben


Henryk Goldberg, Neues Deutschland, Berlin/DDR, 19./20.9.1981


(…) Gabriele Kotte schrieb diesen, ihren zweiten Film nach dem gleichnamigen Buch von Tine Schulze-Gerlach. Es handelt sich jedoch nicht um eine rein handwerkliche Adaption, hier wurden Akzente umverteilt in einem Maß, daß rechtens von einer eigenständigen Leistung gesprochen werden kann. Wo die Autorin des Originals eigentlich die Geschichte einer schon älteren Schöffin mitteilt, konzentriert die Szenaristin (Dramaturgie Tamara Trampe) mit Gewinn auf den jungen Schützling der Frau. (…)

Die Wahrhaftigkeit dieses Films ist ein Verdienst des Regisseurs. Herrmann Zschoche bagatellisiert nicht menschliche Probleme, er gerät aber ebensowenig ins blinde Eifern. Die Erzählperspektive ist die eines sachlichen, wenn auch sympathisierenden Beobachters. Wenn der Film emotional zu wirken vermag, so ist das in erster Linie der Hauptdarstellerin Katrin Saß zu danken. Vollkommen unbemüht, ohne einen Hauch "sozialer Exotik" zeichnet sie das Bild der jungen Hilfsarbeiterin, von leiser Verhaltenheit in große Expressivität wechselnd. Diese Schauspielerin hat eine Ausstrahlung, und sie hat ein Gesicht, in das man lange schauen kann.

Nicht auf diesem Niveau scheint, mir die Gestaltung der Männer, die wichtig sind für sie oder es doch einst waren. Jan Spitzer spielt einen ordentlichen jungen Mann, eine Chance für die sozial Gefährdete, zu wenig aber für die junge Frau. Hier allerdings wird es dann doch ein wenig bemüht, da ist die Biederkeit des Jungen mehr demonstriert als in einer künstlerischen Figur aufgehoben. Ähnliches gilt im Grundsatz für Christian Steyers feschen jungen Mann, der gleichsam die Blaue Blume im Knopfloch der Lederjacke trägt. Hier wäre mehr Gleichwertigkeit der beiden Rivalen notwendig gewesen, mehr Zwang zur wirklichen Entscheidung für die Heldin. Dieter Montag hingegen vermochte seine Rolle glaubhafter zu gestalten.

Wenn dem Film etwas anzulasten ist, dann vielleicht dieser Anflug von Konstruktion und ein gewisses emotionales Unterlaufen sachlicher Argumentation, etwa in der Verteilung von Sympathien während der eröffnenden Jugendhilfe-Szene.

Den beobachtend-vorführenden Gestus des Filmes hingegen, der den Betrachter mitunter mehr drauf-schauen als mit-fühlen läßt, halte ich für ein wesentliches Wirkungselement.

Zu erwähnen noch die Kamera von Günter Jaeuthe, der nicht nur schöne Berlin-Bilder fotografierte, sondern auch und vor allem Menschen in Beziehung setzte zu den jeweiligen Räumen. "Bürgschaft für ein Jahr": ein Film zum Anschauen und Nachdenken.

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