Die Herrin der Welt, Teil 1 - Die Freundin des gelben Mannes

Deutschland 1919 Spielfilm

Der teuerste Film


Lichtbild-Bühne, Nr. 46, 15.11.1919


(...) Nun ist der Krieg vorbei und wir sind arm und auch für die Filmindustrie erhebt sich die große Frage, wie dieser Tatsache, die nun doch einmal nicht aus der Welt zu schaffen ist, Rechnung getragen werden kann, d.h. die Industrie ist vor eine Alternative gestellt, in beschränktem Umfange zu produzieren oder die Produktion für den Kampf auf dem Weltmarkt vorzubereiten und groß aufzuziehen. Das erstere wäre gleichbedeutend mit dem Verfall der gesamten Industrie. Das zweite hieße, es der Produktion der Amerikaner und Italiener gleich zu machen und Kapitalien für Films bereit zu stellen, die alles bisher Geleistete in den Schatten stellen, und es will scheinen, als ob die kommende Produktionspolitik eine starke Tendenz nach dieser Richtung hat. "Veritas vincit" hat es gezeigt und "Die Pest von Florenz" (Decla), "Prinz Kuckuck" (Gloria), "Dubarry" haben es bewiesen, aber schon hört man von einem neuen großen Film "Die Herrin der Welt".

Für die deutsche Volkswirtschaft wird er ein Symbol bedeuten, er wird den nicht aus der Welt zu schaffenden Beweis erbringen, daß die deutsche Filmindustrie exportfähig und im zukünftigen Welthandel ein nicht zu unterschätzender Faktor werden wird. Für die Industrie selber aber wird er ein Ansporn sein, im freien Spiel der Kräfte alles daran zu setzen, diesem hohen Beispiel kaufmännischen und künstlerischen Wagemutes in solcher Zeit nachzueifern und der Branche zu einer Auslandsgeltung zu verhelfen, die unser deutsches Wirtschaftsleben so bitter notwendig hat, wenn dieser Film den an ihn gestellten Hoffnungen entspricht.

Wenn der Satz gilt, daß das, was lange währt, gut wird, so muß es zum mindesten für die "Herrin der Welt" gelten. Denn die Aufnahme zu diesem Film begann nach halbjähriger Vorbereitung am 24. Juni 1919 unter der künstlerischen Oberleitung von Joe May. Die Geschichte, welche dem Film zugrunde liegt, entstammt einem Figdorschen Roman, dessen acht Teile von Joe May, Hutter, Röllinghoff und Theodor zu einem Serienfilm von sechs Teilen (Richtig: acht! Anm. d. Red.) bearbeitet wurden. Im Mittelpunkt der Handlung steht eine junge Dänin Maud Gregaards, die von Mia May dargestellt wird. Die Heldin des Films, die den bürgerlichen Schichten angehört, ringt sich durch die mannigfachsten Entbehrungen und Fährnisse zur reichsten Frau der Welt durch, zur "Herrin der Welt". Die Geschichte dieser Maud Gregaards spielt in allen Ländern. Das Schicksal dieser Frau führt uns in die Wüsten Afrikas und in die Spelunken Kantons, das in Woltersdorf unter Leitung Jacoby-Boys errichtet wurde. Ganze Straßenzüge und Tempel entstanden hier, um ein getreues Bild von dem Leben und Treiben dieser Stadt zu geben. Hundert Dampfer und Boote und maskierte Häuser von Potsdam gaben die Folie für den Hafen. Eine innerafrikanische Stadt mit einem Tempelberg und einem gigantischen Tempel erstand als prunkvoller Hintergrund für einen anderen Teil des Films und auf weiten Flächen hausten Neger in einem echten Kraal der May-Stadt. Die Zahl sämtlicher Mitwirkenden, Schauspieler, Komparserie und technischem Personal beziffern sich auf nahezu 30 000 Personen. Das Manuskript umfaßt ca. 2000 Seiten. Der Film selber setzt sich aus ungefähr 5000 verschiedenen Szenen zusammen. Es waren im ganzen 200 Aufnahmetage außerhalb des Ateliers notwendig. Die Aufnahmen im Atelier, welche noch nicht vollständig beendet sind, dürfen sich auf ungefähr 150 Tage belaufen. Die Aufnahmestätten liegen in Weißensee, Tempelhof, Potsdam, Woltersdorf, Rüdersdorf, Buckow, Hamburg und Helgoland, und wenn man, wie oben erwähnt, erfährt, daß die Komparserie sich auf nahezu 30 000 Menschen belief, so wird es nicht Wunder nehmen, wenn man hört, daß diese Menschen aus rund 100 Feldküchen ernährt wurden. Zum Transport der Dekorationen waren ständig 10 Lastautomobile unterwegs. (...) Der fertige Film mißt rund 20 Kilometer, was ungefähr der Strecke Berlin–Nauen gleichkommt, und enthält rund eine Million kleiner Einzelbilder, von denen jedes ungefähr 1,8x2,4 cm mißt; er wiegt nahezu 150 Kilo. Die Höhe der aufeinandergestellten Filmrollen, deren Durchmesser ungefähr 40 cm ist, beträgt 1,50 m. Die Kosten aber dieses Films belaufen sich auf nahezu acht Millionen Mark. (...)

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