NS-Propagandafilme

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"Triumph des Willens" (1935): Adolf Hitler und Leni Riefenstahl
 

Leni Riefenstahl, Veit Harlan, "Triumph des Willens", "Jud Süß" oder "Kolberg" – Namen und Filmtitel wie diese fallen immer wieder, wenn vom Kino des "Dritten Reiches" die Rede ist. Berühmt-berüchtigt als perfide Machwerke aus der Propagandamaschinerie der Nationalsozialisten stellen diese Propagandafilme in der öffentlichen Wahrnehmung den Inbegriff der Filmproduktion in der NS-Zeit dar, denen mit einer Mischung aus Neugier, Distanz, Abscheu und Faszination begegnet wird.Diese Identifikation des Kinos der NS-Zeit mit seinen ostentativen Propagandafilmen ist symptomatisch und irreführend zugleich. Unbestritten ist der Wille und die Vehemenz, mit denen sich die Nazis der Suggestivkraft des Films zur Indoktrinierung und Mobilisierung der Massen bedienten. Gleichwohl sollte begrifflich stärker zwischen NS-Filmpropaganda und nationalsozialistischen Propagandafilmen differenziert werden. Wie neuere Forschungsarbeiten deutlich gemacht haben, war die gesamte Filmkultur in der NS-Zeit als komplexes System darauf ausgelegt, ihre propagandistische Wirkung durch die geschickte Kombination von Unterhaltung und Vermittlung politischer Inhalte zu entfalten.Die politisch-ideologische Indoktrination hatten – zumindest vordergründig – die Dokumentar- und Kulturfilme und insbesondere die Wochenschau zu leisten, die seit 1938 obligatorischer Bestandteil jedes Kinobesuchs war. Der Spielfilm hingegen sollte vor allem der Zerstreuung und der Unterhaltung dienen – war dabei allerdings keineswegs frei von Ideologemen und Propaganda, sondern wies die Mischung von Propaganda- und Unterhaltungselementen zumeist lediglich in anderer Gewichtung auf.

 

Filme im staatlichen Auftrag

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Ferdinand Marian und Heinrich George (v.l.n.r.) in "Jud Süß" (1940)
 

Das NS-Kino mit seinen Propagandawerken gleichzusetzen, scheint nicht zuletzt deshalb zunächst paradox, da im Spielfilmbereich reine Propagandafilme – d.h. Filme, die in direktem Bezug zu politischen Maßnahmen der NS-Regierung stehen oder zentral und offensiv die Weltanschauung der Nationalsozialisten ausstellen – tatsächlich nur ca. ein Zehntel der insgesamt über 1000 Spielfilme der NS-Zeit ausmachen. Die meisten dieser Filme sind dem heutigen Publikum nicht aus eigener Anschauung, sondern bestenfalls dem Namen nach bekannt: Aufgrund ihres ideologischen Inhaltes und ihres hohen affektiven Potentials gelten diese Filme noch heute als gefährlich und sind daher als "Vorbehaltsfilme" mit einem öffentlichen Aufführungsverbot belegt.Was macht diese Filme – abgesehen von ihrem Aufführungsverbot, denn Verbote wecken bekanntlich oft Neugier – so interessant und gleichzeitig so brisant? Viele dieser Filme ragen aus der Masse der Filmproduktion der NS-Zeit allein durch ihren immensen finanziellen, technischen und personellen Aufwand hervor. So sind die sogenannten "Staatsauftragsfilme", die im Auftrag des Propagandaministeriums unter persönlicher Einflussnahme von Goebbels entstanden, mit Budgets von über 4 Millionen Reichsmark und großem Staraufgebot die teuersten Filmproduktionen der Zeit. Noch 1944/45, in der Phase des "Volkssturms", wurden ganze Armee-Einheiten als Komparsen für den "Durchhaltefilm" "Kolberg" beordert. Neben dieser staatlich subventionierten Gigantomanie zeichnet diese Produktionen jedoch vor allem eine perfide Kombination aus, bei der Propaganda, anspruchsvolle Technik und künstlerische Elemente – getragen vor allem von populären Schauspielern – miteinander verschmelzen. Sie bieten so Musterbeispiele für die subtilen Propagandamethoden der Nationalsozialisten.

Vom Hitlerjungen Quex zu Friedrich Schiller

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Horst Caspar in "Friedrich Schiller" (1940)
 

Die Filmpropaganda vollzog sich dabei in erster Linie über Polarisierungen, indem dem Publikum entweder idealisierte gesellschaftliche Wunschbilder oder radikale Feindbilder im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie präsentiert wurden. Zudem war die propagandistische Funktion der Filme häufig stark kontextorientiert – das heißt, sie wurden gezielt in Zusammenhang mit politischen Aktionen der Nazis produziert und zum Einsatz gebracht. Dem allgemeinen Prinzip der nationalsozialistischen Propaganda entsprechend, handelte es sich um unterschiedlich angelegte, schrittweise Versuche, das Führerprinzip und die "Rassenlehre", den Mythos von Blut und Boden, den Kult der Volksgemeinschaft, spezifische Feindbilder und Themen wie Krieg und Nation populär zu machen und eindeutig zu besetzen. Nachdem die Filme "SA-Mann Brand", "Hans Westmar, einer unter vielen" und "Hitlerjunge Quex", die direkt nach der Machtübernahme 1933 als Nazi-Märtyrertrilogie entstanden waren, auf eher negative Resonanz beim Publikum gestoßen waren, wurde eine ähnlich direkte Darstellung des NS-Regimes bzw. der nationalsozialistischen Bewegung im Spielfilm danach weitgehend vermieden. Stattdessen verlegte man sich bei weiteren Versuchen weltanschaulicher Normvermittlung, wie sie in den Propagandafilmen der 1930er Jahre vorherrschend war, darauf, diese in einer räumlich und vor allem zeitlich distanzierten Dimension zu betreiben. Historische Biographien wie "Robert Koch, der Bekämpfer des Todes" (1939), "Friedrich Schiller. Der Triumph eines Genies" (1940) und "Der große König" (1940-42, mit Otto Gebühr in Tradition der "Fridericus-Rex"-Serie der frühen 1920er Jahre) entstanden als Überhöhungen "großer Deutscher" und Apologien des Führerprinzips. Die ihnen zu Grunde liegende teleologische Geschichtsinterpretation feierte Hitler und das "Dritte Reich" als logischen Endpunkt der deutschen Geschichte.

Strategien im Zweiten Weltkrieg

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Carl Raddatz in "Stukas" (1941)
 

Mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939, dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, änderten sich die Anforderungen an die Filmpropaganda. Die Zahl offener Propagandafilme stieg deutlich an, die der Rechtfertigung des Krieges und der Mobilisierung der deutschen Bevölkerung dienen sollten. Kriegsverherrlichende Parolen und militaristische Heldentaten sind typisch für die Fliegerfilme, die mehrheitlich unter Regie des überzeugten Nationalsozialisten Karl Ritter entstanden. Themen wie Kameradschaft, Gehorsam, Pflicht, Kampfesmut und Heldentod fürs Vaterland werden in Filmen wie "Feuertaufe", "Kampfgeschwader Lützow" und "Stukas" in Abenteuer, Geschichten von Liebe und Männerfreundschaften mitsamt spektakulären Flugaufnahmen eingehüllt und verklärt. Als sich 1941 abzeichnete, dass ein baldiges Ende des Krieges nicht zu erwarten war, wurde auch seine Darstellung in Spielfilmen nahezu tabu. Der Mobilisierung der Heimatfront galten nun Filme wie "Ein schöner Tag", "Die große Liebe" oder "Wunschkonzert" und schließlich das noch in der letzten Kriegsphase entstandene Großprojekt "Kolberg". Während der nationalsozialistische Film bis zu Kriegsbeginn nicht zuletzt aus Rücksicht auf Exportmöglichkeiten aggressive Hetzparolen weitgehend vermieden hatte, diente die filmische Konstruktion von Feindbildern nun als, wie der Filmpublizist Wolf Donner treffend formulierte, "ideologische Begleitmusik der wechselnden NS-Außenpolitik". Mit "Menschen im Sturm", "GPU" und "Ohm Krüger" entstanden Propagandafilme mit anti-slawischer, anti-polnischer, anti-russischer und vor allem anti-britischer Tendenz.

Die antisemitische Propaganda

 
Carl Kuhlmann, Hans Stieber (v.l.n.r.) in "Die Rothschilds. Aktien auf Waterloo"(1940)
 

Zu den infamsten Propagandawerken der Nationalsozialisten zählen aber vor allem die entstandenen antisemitischen Hetzfilme – Produktionen wie "Jud Süß", "Die Rothschilds" sowie der Pseudo-Dokumentarfilm "Der ewige Jude". Alle drei kamen 1940 zu einem Zeitpunkt in die deutschen Kinos, als die "Judenpolitik" der Nationalsozialisten mit der Errichtung des Warschauer Ghettos und den ersten Deportationswellen deutscher Juden nach Osten, entscheidend verschärft wurde.Als massenwirksame Diskriminierung und Verfemung standen sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Massenmord an den europäischen Juden, dem über sechs Millionen Menschen zum Opfer fielen. So wurde als extremstes Beispiel dieser Propaganda-Praxis Veit Harlans Film "Jud Süß" den SS-Kommandos unmittelbar vor ihren Mordeinsätzen gezeigt: Die vermeintliche Bedrohung der "Volksgemeinschaft" durch den "assimilierten Juden" wird hier als zentrales Leitmotiv in die Tradition des bürgerlichen Trauerspiels eingebettet. Der Film konnte nicht nur damals einen beträchtlichen Erfolg verbuchen, sondern feiert heute eine traurige Renaissance durch seine große Beliebtheit in rechtsradikalen Gruppen und Organisationen.