Kinopreis des Kinematheksverbunds 2023 verliehen 

Am Samstag wurden im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung im Filmhaus am Potsdamer Platz in Berlin zum 24. Mal die Kinopreise des Kinematheksverbundes vergeben. Die Preisgelder werden von der BKM zur Verfügung gestellt.

 

Mit Preisen in vier Kategorien wird die Arbeit von kommunalen Kinos und filmkulturellen Initiativen ebenso gewürdigt wie ihr Engagement bei der Weiterentwicklung des Kinos als Ort der Vielfalt, als kultureller Treffpunkt und Kulturgut. 4 Kinos werden mit Hauptpreisen und 16 weitere mit zweiten Preisen ausgezeichnet. Der mit 6 000 Euro dotierte Lotte-Eisner-Preis geht an das Sinema Transtopia in Berlin. 

Die Jury zeichnete in diesem Jahr Kinos und ihre Programmacher*innen aus den Städten Berlin, Bremen, Dresden, Frankfurt am Main, Freiburg, Hamburg, Hannover, Kiel, Köln, Konstanz, Leipzig, Mainz, Mannheim, München, Nürnberg, Pforzheim, Rendsburg und Saarbrücken aus. Die Preisträger*innen haben die Preise im Rahmen der Veranstaltung persönlich entgegengenommen. In Deutschland gibt es nach wie vor ein dichtes Netz von Kinos, die für eine vitale Filmkultur sorgen und kenntnisreich die Geschichte des Films lebendig halten – obwohl nicht alle von ihnen eine kommunale Förderung erhalten. Das Spektrum der prämierten Spielstätten ist breit und reicht von Leuchtturm-Filmmuseen in München und Frankfurt am Main bis zu gemeinschaftlich orientierten Initiativen wie B-Movie in St. Pauli oder das Kino im Sprengel in Hannover. Mit dem Spitzenpreis für das Berliner Sinema Transtopia wurde ein Projekt ausgezeichnet, das Kino als transnationalen Kulturort versteht, aber aktuell in seiner Existenz bedroht ist. Alle ausgezeichneten Kinos stehen für die Diversität in der Filmkultur. Ihre Programme sind international und präsentieren Werke der gesamten Filmgeschichte. Die Menschen hinter den Kinos sind "Überzeugungstäter*innen", die die Lust verbindet, neben Klassikern immer wieder auch unbekannte Perlen auszugraben. Filmvermittlung wird dabei großgeschrieben: Die Zuschauer*innen erhalten die Möglichkeit, die Werke in breiterem Kontext zu rezipieren – durch Filmgespräche, -reihen, Festivals oder performative Events.

Die Preisträger-Kinos 2023 

Kategorie: "Kino, das zurückblickt" 
Erster Preis (2 000 Euro) 
Filmmuseum München

Zweite Preise (jeweils 1 000 Euro) 
Metropolis Kino – Kinemathek Hamburg e. V. 
Kino im Sprengel, Hannover 
Kino des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Frankfurt am Main 
Filmclub 813 e. V., Köln

Kategorie: "Kino, das bildet" 
Erster Preis (2 000 Euro) 
Filmhaus Nürnberg

Zweite Preise (jeweils 1 000 Euro) 
Clubkino im Lingnerschloss, Dresden 
Zebra Kino e. V., Konstanz 
City 46 – Kommunalkino Bremen e. V. 
CinéMayence, Mainz

Kategorie: "Kino, das verbindet" 
Erster Preis (2 000 Euro) 
Kommunales Kino Pforzheim

Zweite Preise (jeweils 1 000 Euro) 
Kommunales Kino Freiburg 
Cinema Quadrat e. V., Mannheim 
Kommunales Kino Rendsburg e. V. 
Kino achteinhalb, Saarbrücken

Kategorie: "Kino, das wagt" 
Erster Preis (2 000 Euro) 
Pupille e. V. – Kino in der Uni, Frankfurt am Main

Zweite Preise (jeweils 1 000 Euro) 
Kinothek Asta Nielsen e. V., Frankfurt am Main 
B-Movie Kulturinitiative auf St. Pauli e. V., Hamburg 
Kino in der Pumpe, Kiel 
Cinémathèque Leipzig e. V.

Die Jurybegründungen

Lotte-Eisner-Preis: Sinema Transtopia in Berlin 
Das Sinema Transtopia ist eine bundesweit einmalige Institution, die die Jury nicht nur mit ihrem innovativen Programm und dessen diskursfreudiger Präsentation überzeugte, sondern auch mit ihrer professionellen und zeitgemäßen Außendarstellung und nicht zuletzt einer hohen Besucher*innen-Akzeptanz. Die Jury hofft, dass der Preis dazu beitragen kann, dass das Sinema Transtopia seine erfolgreiche Arbeit auch am neuen Standort in Berlin-Wedding mit unverminderter Energie langfristig fortführen kann.

Kategorie: "Kino, das zurückblickt" 
Den ersten Preis in dieser Kategorie erhielt das Filmmuseum München. Mit seinem gut kuratierten Programm, häufig ergänzt durch Einführungen und mit Gästen, trägt das Kino aktiv zum Erhalt und der Verbreitung des Filmerbes bei. Besonders hervorzuheben sind die Internationalen Stummfilmtage im Innenhof des Stadtmuseums, die 2023 zum dritten Mal stattfanden. Die Filme wurden von renommierten internationalen Stummfilmmusikern live begleitet, ein Höhepunkt war der Auftritt eines Orchesters, das so im Kinosaal keinen Platz gefunden hätte. Erwähnenswert sind auch die sehr informativen Programmhefte, die mit ausführlichen Texten Lust auf Kino und Entdecken machen.

Das kommunale Metropolis Kino in Hamburg wurde mit einem zweiten Platz ausgezeichnet. Hervorzuheben ist besonders das einmal im Monat stattfindende Format "Klassiker Sneak Review", mit dem erfolgreich Klassiker der Filmgeschichte präsentiert werden und auch eine neue Zuschauer*innenschaft jenseits des Stammpublikums erreicht wird. Aber auch umfangreiche Retrospektiven oder das Programm "Casablanca XXL", bei dem ein ganzer Tag einem Film in dessen verschiedenen Synchronfassungen gewidmet wurde, zeigt Mut und den Willen, Filmgeschichte lebendig zu erhalten.

Ebenfalls mit einem zweiten Preis würdigte die Jury das Kino im Sprengel in Hannover. Das rein ehrenamtlich geführte Kino überzeugt mit seinem hohen Anteil an Dokumentar- und Experimentalfilmen im Programm. Entsprechend gibt es auch viele Vorführungen mit 16-mm- oder Super-8-Kopien. So werden unter anderem in der Reihe "Blicke ins Archiv" 16-mm-Schullehrfilme aus dem eigenen Archiv präsentiert. Stummfilmvorführungen mit Musikbegleitung runden das spannende und abwechslungsreiche Jahresprogramm ab.

Einen weiteren zweiten Platz belegte das Kino des DFF in Frankfurt am Main. Neben thematischen Retrospektiven und Hommagen steht in der monatlich stattfindenden Reihe "Klassiker und Raritäten" das Filmerbe mit bekannten und unbekannten Werken im Fokus. Carte-blanche-Reihen ermöglichen Filmschaffenden, Werke zu präsentieren, die sie besonders beeinflusst haben. Hervorzuheben ist auch der Youtube-Kanal des Kinos, wo Gästegespräche und Interviews zur Verfügung gestellt werden.

Der ehrenamtlich geführte Filmclub 813 in Köln wurde ebenso mit einem zweiten Platz ausgezeichnet. Besonders beeindruckt der sehr hohe Anteil an Vorführungen mit 35-mm-Kopien. Der Programmschwerpunkt liegt auf der Filmgeschichte des 20. Jahrhunderts, so auch beim 2022 eingeführten "813-Familienkino", bei dem Kinder und Jugendliche einmal im Monat freien Eintritt erhalten. Ein weiterer Fokus liegt in der Präsentation des DEFA-Filmerbes. 
 
Kategorie: "Kino, das bildet" 
Ein breit gefächertes Programm in der Kinderkinosparte sowie die Hingabe in der Kuratierung thematischer Schulreihen überzeugten die Jury, das Filmhaus Nürnberg in dieser Kategorie mit dem ersten Preis auszuzeichnen. Mit einem Blick für das Nürnberger Publikum und aktuelle Ereignisse werden in der Reihe "Cine international" Filme aus der ganzen Welt in Originalsprache mit Untertiteln gezeigt, außerdem gibt es Zusammenarbeiten mit Geflüchtetenorganisationen und regionalen Kooperationspartner*innen. Zudem runden einmal im Monat Stummfilme mit Livemusik, Schwerpunkte, die intensiv zurückblicken, und die gut kuratierten "Specials" das vielfältige Programm ab.

Das Clubkino im Lingnerschloss in Dresden wurde mit einem zweiten Platz ausgezeichnet. Das rein ehrenamtliche Team konzentriert sich ganz auf Kurzfilme für ein junges Publikum und kombiniert dabei DEFA-Klassiker – unter besonderer Berücksichtigung der Dresdner Trickfilmgeschichte – mit aktuellen Produktionen. Die neue Reihe "Kurz.Film.Zeit" sowie das erstmals veranstaltete Freiluftkino mit Fokus auf dem Filmschaffen in und über Dresden waren in der Lage, das Publikum zurückzuholen.

Ebenfalls mit einem zweiten Preis würdigte die Jury das Zebra Kino e. V. in Konstanz. Neben einem Programm aus aller Welt steht insbesondere der Junge Deutsche Film im Mittelpunkt. Dabei schafft das Team eine Plattform auch für Filmschaffende aus der Region. Neben regelmäßigen Kinoveranstaltungen für umliegende Schulklassen ist die überarbeitete Kinder- und Familienfilmreihe "Zebrastreifen" hervorzuheben, deren Programm nun in einem gesonderten Heft erscheint und dadurch den Bekanntheitsgrad der Filme für ein junges Publikum steigert.

Einen zweiten Platz in dieser Kategorie belegte auch das Kommunalkino City 46 in Bremen, dessen Programmziel es ist, einen gesellschaftlichen Dialog in der Stadtgesellschaft zu schaffen. Das erreicht das Kino durch relevante Reihen wie "Globales Handeln" und "Starke Frauen – Filme aus Palästina". Zudem wurde 2022 das Kinderkino mit dem medienpädagogischen Projekt "Action & Fun" weiter etabliert, sowie Synergieeffekte durch den Kinder- und Jugendkinoclub KiJuKo und Schulvorstellungen ausgebaut.

Einen weiteren zweiten Platz belegte das CinéMayence in Mainz. Das Programm bietet einen Mix aus zeitgenössischer internationaler Filmkunst sowie Repertoirefilme und Kinoklassiker. Zum regelmäßigen Angebot gehören filmwissenschaftliche Einführungen, Filmgespräche und pädagogische Begleitung. Besonders hervorzuheben ist dabei das digitale Filmbildungsangebot: Hintergrundinformationen und Begleitmaterialien auf der Website ergänzen das Programm im Kinosaal; zudem steht ein umfangreiches Bildungsmodul zur Geschichte des Avantgardefilms zur Verfügung.

Kategorie: "Kino, das verbindet" 
Den ersten Preis in der Kategorie "Kino, das verbindet" erhielt das Kommunale Kino Pforzheim für sein breites Portfolio an Formaten und Ideen, um so vielen Bürger*innen wie möglich ein Angebot machen zu können. Dabei scheut das Kommunale Kino Pforzheim nicht, seine eigenen vier Wände zu verlassen: Ob Freiluftkino oder mit einer thematischen Anbindung an dritte Orte, das Programm ist individuell abgestimmt und liebevoll kuratiert. Das ist 'aufsuchende Filmkultur' vom Feinsten. Auch die vielseitigen Angebote für Kinder und Jugendliche, Filme zur Stadtgeschichte, der "Theater Treff Kino" oder "Film und Frühstück" zeigen: Das Kommunale Kino ist bestens vernetzt und viele Themen kommen auch aus der Bürger*innenschaft: Vom Badischen Blinden- und Sehbehindertenverein über den Jugendgemeinderat bis zur Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes sind die Kooperationen breit gefächert und doch sehr bewusst ausgewählt.

Einer der vier zweiten Preise der Kategorie "Kino, das verbindet" ging an das Kommunale Kino Rendsburg. Als Kinoverein mit 215 Mitgliedern zeigt das Kino auf beeindruckende Weise, wie auch im ländlichen Raum Kinos ihr Publikum finden und halten können.

Ein weiterer der vier zweiten Preise ging an das Kommunale Kino Freiburg. Mit bis zu hundert Kooperationen im Jahr, Angeboten für alle Altersgruppen und Nationalitäten, Ausstellungen und vielem mehr ist das Kommunale Kino ein in vielerlei Hinsicht verbindender Ort.

Einen zweiten Platz belegte auch das Cinema Quadrat e. V. in Mannheim. Von der Anarchistischen Gruppe Mannheim über das LGBT+Friends-Netzwerk von BASF bis zum Bürgerverein Innenstadt West e. V. arbeitet das Kino in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen und setzt bewusst politische Schwerpunkte.

Das Kino achteinhalb in Saarbrücken erhielt den vierten der zweiten Preise in der Kategorie "Kino, das verbindet". Mit 84 regional und 33 national und international operierenden Partnern, der Zusammenarbeit mit Hochschulen und Kooperationen für Kinder und Jugendliche bedient das Kino achteinhalb ein breites Spektrum an Zielgruppen und glänzt mit großer Programmvielfalt.

Kategorie: "Kino, das wagt" 
Der Hauptpreis in dieser Kategorie ging an Pupille e. V. – Kino in der Uni in Frankfurt am Main. Der Jury gefiel vor allem der Fokus auf Kurz- und Experimentalfilme (die ja dem Begriff nach schon ein Wagnis sein können). Das Programm der Pupille ist sehr gut kuratiert. Die Mitglieder des Vereins werden durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit vorbildlich an Kinoarbeit herangeführt.

Nach Frankfurt ging auch ein zweiter Preis: Dort ist seit 23 Jahren die Kinothek Asta Nielsen aktiv, laut Internetlexikon "ein Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Filmarbeit von Frauen zu dokumentieren und wieder in die Kinos zu bringen". Die Jury würdigt die Fokussierung der Kinothek auf die als "Gaga" verunglimpften Genderthemen  und überhaupt ein starkes Programm, und das ganz ohne eigene Spielstätte, dafür mit vielen Kooperationspartnern!

Ein zweiter Preis ging außerdem in die sächsische Kinohauptstadt Leipzig an die dortige Cinémathèque. Die Jury zeigte sich beeindruckt vom Programm, das mit Filmen für Kleinkinder den Kinonachwuchs im Blick hat. Auch die politische Ausrichtung des Kinos überzeugte die Preisrichter.

An der Elbe liegt die Heimat eines weiteren Preisträgers, des B-Movie in St. Pauli. "Kulturinitiative" nennt sich der Trägerverein dieses Kinos, das mit einer rundum positiv wirkenden Bewerbung überzeugte. Eine nicht wegzudenkende cineastische Initiative in der Millionenstadt, die sich gern im Glanz von Immobilienprojekten sonnt, und diesem Image nachbarschaftliches Engagement entgegensetzt.

Im höchsten Norden befindet sich schließlich der vierte Gewinner, das Kino in der Pumpe in Kiel. Das Programm ist genauso divers wie die Stadt. Studentisches Publikum findet hier eine Heimat, es gibt aber auch Fortbildungen für Lehrer*innen. Und 'Nosferatu' auf dem Friedhof – allein das ist schon einen Preis wert.

Ehrenpreis des Kinematheksverbundes für die Verdienste um die Filmkultur und das Filmerbe

Den Ehrenpreis des Kinematheksverbundes erhielt in diesem Jahr Jeanpaul Goergen.

Der Filmhistoriker, Kurator und Autor bringt seit Jahren unbekannte Archivraritäten auf die Leinwand und widmet seine Forschung insbesondere auch nicht kinogängigen Formaten wie Reise-, Industrie- und Werbe- oder Amateurfilme auf obsoleten Bildträgern. Damit engagiert er sich in besonderer Weise für den Erhalt und die Vermittlung von Werken an den Rändern der Filmgeschichtsschreibung. 

Die Laudatio wurde von der Filmwissenschaftlerin Prof. Dr. Britta Hartmann von der Universität Bonn gehalten.

Zur Jury 
Die fünfköpfige Fachjury wird für jeweils drei Jahre benannt. Seit 2023 gehören Michael Höfner (AG Verleih), Sven von Reden (Verband der deutschen Filmkritik e. V.), Leonie Rieth (Bundesverband Jugend und Film e. V.), Vera Schöpfer (Bundesverband kommunale Filmarbeit e. V.) und Erika Wottrich (Kinematheksverbund) der Jury an.

Der Kinopreis wird vom Kinematheksverbund verliehen und durch Mittel der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ermöglicht.

Quelle: www.kvb.deutsche-kinemathek.de