Am 27. April 2010 feiert der Stummfilmklassiker "Die Nibelungen" (DE 1924/2010) in der restaurierten Fassung der Friedrich-Wilhelm- Murnau-Stiftung seine festliche Welturaufführung in der Deutschen Oper Berlin.
"Erst "Metropolis", nun beide Teile von "Die Nibelungen" - das Jahr 2010 steht für die Rückkehr von Fritz Langs Meisterwerken auf die Kinoleinwand", so Eberhard Junkersdorf, Kuratoriumsvorsitzender der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung. Bei der Uraufführung spielt das hr-Sinfonieorchester unter der musikalischen Leitung von Frank Strobel.
"Die Nibelungen" wird in der neu restaurierten, originalgetreu eingefärbten Fassung auf Festivals und in Kinos zu sehen sein. Die Erstausstrahlung findet auf dem europäischen Kulturkanal ARTE, der sich seit Jahren stark für den Stummfilm engagiert, statt; eine Auswertung auf DVD ist vorgesehen. "Wir sind stolz, dass die Murnau-Stiftung zwei der bedeutendsten deutschen Filmwerke von Fritz Lang nach langer Restaurierungsarbeit jetzt für das Publikum wieder zugänglich machen kann“, so Junkersdorf.
Über mehr als vier Jahre hinweg erstreckt sich das bislang umfangreichste Restaurierungsprojekt der Murnau-Stiftung, für das von Montevideo bis Moskau die Filmmaterialien zusammengetragen wurden. Derzeit wird an der Restaurierung noch gearbeitet. Die Filmrestaurierung des monumentalen Epos, die Neu-Edition der Originalmusik und die festliche Premierenveranstaltung wurden am heutigen Freitag in den Babelsberger Filmstudios unweit der Wirkungsstätte von Regisseur Fritz Lang vorgestellt.
"Die neue, von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung aufwändig restaurierte Filmfassung des Nibelungen-Epos wird eine bisher nicht gekannte Annäherung an die historischen Versionen darstellen. Erstmals war es möglich, die ungewöhnlich reichhaltige Überlieferung von achtzehn zeitgenössischen Filmmaterialien, die weltweit in Filmarchiven erhalten sind - darunter auch die Kameranegative - für die Restaurierungsarbeiten zu berücksichtigen“, berichtet Restauratorin Anke Wilkening von der Friedrich- Wilhelm-Murnau-Siftung. Bei einer früheren, in den 1980er Jahren fertig gestellten Restaurierung war dies noch nicht möglich.
"Die sinfonische Originalmusik von Gottfried Huppertz, die er im Auftrag der Ufa und in enger Zusammenarbeit mit Fritz Lang und Thea von Harbou komponierte, gehört zu den Schlüsselwerken der deutschen Filmmusikgeschichte", sagte Beate Warkentien von der Europäischen Filmphilharmonie. Die Rekonstruktion und Neueinspielung der originalen Filmmusik von Gottfried Huppertz (* 1887 Köln, † 1937 Berlin) wird von ZDF/ARTE und dem Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks verantwortet. Die Filmredaktion beauftragte Frank Strobel und Marco Jovic mit der Rekonstruktion und Synchroneinrichtung der Musik auf Grundlage des überlieferten Manuskripts.
"Für das hr-Sinfonieorchester ist die Aufführung des 5-stündigen Opus eine besondere Herausforderung und große Freude zugleich. Dabei erklingt dank zweijähriger gemeinsamer Anstrengung erstmals die gesamte Originalkomposition von Gottfried Huppertz für großes Orchester. Ein solches Großprojekt ist dabei nur durch die engagierte Zusammenarbeit der öffentlich-rechtlichen Sender von ARD und ZDF/ARTE möglich geworden", so Andrea Zietzschmann (hr-Musikchefin und Managerin hr-Sinfonieorchester). Seit Jahren widmet sich das hr-Sinfonieorchester bereits erfolgreich in einer eigenen Veranstaltungsreihe der Live-Präsentation von Stummfilmmusik.
"Die Nibelungen" in orangefarbener Viragierung
Ausgehend von den Kameranegativen des Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin, und des Deutschen Filminstituts-DIF, Frankfurt am Main, kann eine deutsche Version in hervorragender Bildqualität sowie, entsprechend der erhaltenen Verleihkopien, in orangefarbener Virage präsentiert werden. Darüber hinaus konnte die Schlussszene vervollständigt werden: Dabei handelt es sich um die Einstellung, in der zu sehen ist, wie Kriemhild erstochen wird. Sie befand sich in einer Rolle nicht verwendeten Filmmaterials (Outtakes), die in der Stiftung Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen (Berlin) erhalten ist. In den bisher vorliegenden Fassungen sieht man lediglich, wie Kriemhild nach vollendeter Rache sterbend zusammenbricht.
Der Film folgt im Wesentlichen der Nibelungen-Sage: Im ersten Teil (Siegfried) geht es um den strahlenden Helden Siegfried, der Brunhild für Gunther besiegt, Kriemhild freit und schließlich das Opfer von Hagens Intrige wird. Im zweiten Teil (Kriemhilds Rache) erlebt das Publikum die dunkle Seite der Tragödie, die im Inferno des brennenden Hofes von Etzel endet. Beide Teile sind in jeweils sieben "Gesänge" unterteilt.
Die Originalkomposition wurde anlässlich der aktuellen Filmrestaurierung neu editiert auf der Grundlage der in der Deutschen Kinemathek erhaltenen Original-Manuskripte und Skizzen von Gottfried Huppertz. Seine "Nibelungen"-Musik ist in ihrer Klangsprache stark an die Musik der Spätromantik angelehnt und arbeitet mit Leitmotiven zur Charakterisierung der Figuren und Handlungsmotive. Unverkennbar ist aber auch Huppertz" Bestreben, in diesem Werk eine eigenständige Filmmusik vorzustellen, die in ihrem Zusammenspiel mit dem Bild viele Techniken der modernen Filmmusik vorwegnimmt. Ediert wird das neue Notenmaterial von der Europäischen Filmphilharmonie.
"Die Nibelungen" feiert als Koproduktion von Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, dem Hessischen Rundfunk sowie ZDF in Zusammenarbeit mit ARTE am 27. April in der Deutschen Oper Berlin seine Uraufführung, die mit freundlicher Unterstützung von Zentis und Škoda stattfindet. Karten für die Uraufführung sind erhältlich unter 030-343 84 343 und unter www.deutscheoperberlin.de. Den Weltvertrieb der restaurierten Fassung übernimmt die Transit Film GmbH.
An der Restaurierung sind insgesamt 17 Einrichtungen aus neun Ländern beteiligt. Filmmaterialien werden verwendet von: British Film Institute (London), Bundesarchiv-Filmarchiv (Berlin), Cineteca Nazionale (Rom), Deutsches Filminstitut – DIF (Frankfurt am Main), Filmarchiv Austria (Wien), Filmmuseum im Stadtmuseum München, Filmoteca Catalunya (Barcelona), Fondazione Cineteca Italiana (Mailand), Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung (Wiesbaden), Gosfilmofond (Moskau) und Stiftung Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen (Berlin).
Zur Restaurierung tragen außerdem bei: Archivo Nacional de la Imagen – Sodre (Montevideo), Cinémathèque de Toulouse, Filmmuseum Potsdam, Filmoteca Espanola (Madrid), Museum of Modern Art (New York) und UCLA Film & Television Archive (Los Angeles). PresTech Ltd. (London) ist das für die Filmrestaurierung verantwortliche Kopierwerk.
Weitere Informationen unter www.dienibelungen2010.de und www.murnau-stiftung.de.
Quelle: www.murnau-stiftung.de