Herr Wichmann von der CDU

Deutschland 2002/2003 Dokumentarfilm

Herr Wichmann von der CDU

Andreas Dresens Wahlkampfbeobachtungen im Osten der Republik


Raimund Gerz, epd Film, 26.03.2003

Auf Henryk Wichmann passen all die üblichen Metaphern: Als Streiter auf verlorenem Posten kämpft er gegen Windmühlenflügel, ein Sisyphos, der weiß, dass er den Stein vergebens den Berg hinaufrollt. Der 25-Jährige ist bei der Bundestagswahl im Oktober 2002 CDU-Direktkandidat im Wahlkreis 057 (Uckermark – Barnim I), einer SPD-Hochburg nordöstlich von Berlin, die Markus Meckel, der letzte DDR-Außenminister, bei der Wahl 1998 mit 51,8 Prozent der Erststimmen verteidigte.

Dem jungen Kandidaten bläst der Wind der Uckermark buchstäblich von allen Seiten ins Gesicht. Sein Sonnenschirm macht sich selbstständig, ebenso die Wahlkampfbroschüren. Doch für die interessiert sich hier ohnehin kaum jemand. Allenfalls ein paar Gestrandete machen kurz Halt, protestieren unwidersprochen gegen die vielen "Ausländer" und werden von Wichmann auch über die anderen Ursachen ihrer Misere aufgeklärt: die Grünen, die zum Schutz der Kröten Industrieansiedlungen verhinderten, und überhaupt die ganze rot-grüne Koalition, die sich mehr um die Schwulen-Ehe als um die Arbeitsplätze kümmere ...

Andreas Dresen ist bei seiner für das Fernsehen gedrehten Dokumentation sichtlich bemüht, die Grenze zur Satire nicht zu überschreiten. Er macht aus seinem Protagonisten weder einen Ritter von der traurigen Gestalt – dafür bringt der zu viel Selbstironie mit – noch einen unverzagten Helden. Der Autor und Regisseur enthält sich jeglichen Kommentars und die Kamera von Andreas Höfer bleibt zumeist auf Distanz, zeigt den Kandidaten einsam in trostlosen Fußgängerzonen und auf leeren Marktplätzen, wo sozialistische Architektur und kapitalistische Warenästhetik sich geschmacklos vermählen. Doch in diesem Fall drängt die Wirklichkeit zur Satire, dokumentieren Kamera und Mikrofon auch ganz ohne eine vorsätzlich denunziatorische Montage die Absurdität dieses Politunternehmens. Etwa wenn Wichmann immer verzweifelter versucht, die Sprache seiner vermeintlichen Klientel zu sprechen. Von unfreiwilliger Komik ist sein Besuch in einem Altenheim, dessen Bewohner seine Gesprächsangebote kaum wahrnehmen können. Und wenn er einem alten Mann, der nur noch per Rollstuhl das Haus verlassen kann, ein munteres "Weiter so!" zuruft, nimmt die Komik makabre Züge an.

Doch trotz aller Lächerlichkeit, der sich der Kandidat aus freien Stücken aussetzt, haben seine Auftritte auch etwas Deprimierendes. Der "frische Wind", den der junge Mann in die Politik bringen will, erweist sich als der sattsam bekannte alte Mief: Wichmanns Parolen sind eine Mischung aus abgestandener Polemik gegen den Konkurrenten und populistischen Spitzen gegen die üblichen verdächtigen Minderheiten, die Ökos, die Migranten und die Schwulen. Im allgemeinen Aufwärtstrend der CDU konnte auch der Kandidat im Wahlkreis 057 das Erststimmenergebnis verbessern: von 20,2 auf 21,3 Prozent.

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