Nach dem Spiel

Deutschland 1997 TV-Dokumentarfilm

Kreuzberger Töchter

Aysun Bademsoy schaut fünf türkischen Fußballspielerinnen beim Erwachsenwerden über die Schulter



Sönke Lars Neuwöhner, TIP Magazin, Nr. 8, 1998

Die Mädchen drucksen rum. Die Filmemacherin hat das Fettnäpfchen erwischt, in das sie treten wollte. Sie tritt noch mal rein, wiederholt die Frage: "Habt ihr einen Freund?" Wieder drucksen die Mädchen, schauen sich hilflos an, vorwurfsvoll in die Kamera, schließlich sagt eine von ihnen: "Nein, natürlich nicht." Blickt verlegen zur Seite, und: "Was sollen wir darauf sagen?" Da kommt schon die nächste Frage: "Dürft ihr denn keine Freunde haben?" Nun kommt die Antwort prompt: "Natürlich nicht!"

Das Besondere an diesem Dialog ist auch das Besondere an Aysun Bademsoys Dokumentation über fünf junge Türkinnen, die in der Kreuzberger Mannschaft "Agrispor" Fußball spielen. Die Porträtierten sind eben nicht tief verschleierte, an Traditionen gekettete und auf 40 Quadratmetern Deutschland vor der Öffentlichkeit weggesperrte Türkinnen, sondern flotte, selbstbewußte Twens, die gemeinsam Fußball spielen, durch die Stadt cruisen, sich gegenseitig ihre neuen Plateauschuhe vorführen und eventuell auch einen Freund haben, es nur nicht zugeben dürfen.

Das Besondere ist eben, daß diese Mädchen nichts Besonderes, nichts Extremes sind – und gerade deshalb fallen die vielen feinen Unterschiede zu gleichaltrigen deutschen Twens ins Auge. Wie zum Beispiel die Frage nach dem Freund.

"Nach dem Spiel" ist die Fortsetzung der Kurz-Dokumentation "Mädchen am Ball" von 1995. In zwei Jahren haben sich die Probleme, die Fragen ans Leben, hat sich die Welt der Mädchen entscheidend verändert. Denn nach dem Spiel, das heißt: vor dem Ernst. Noch stecken sie in Trikots, noch dürfen sie keinen Freund haben. Aber sie dürfen und müssen sich vorstellen, wie er denn aussehen soll, der Freund, der Mann fürs Leben.

Könnte es ein Deutscher sein? "Die sind mir zu locker, gar nicht eifersüchtig und so", sagt eines der Mädchen und erzählt, wie ein türkischer Junge jeden verkloppen würde, der sein Mädchen nur anschaut. Ihre Freundin widerspricht, kann sich einen deutschen Freund gut vorstellen, findet die Eifersucht türkischer Männer ziemlich nervig: "Wenn mich einer nicht will, weil ich keine Jungfrau mehr bin, dann scheiß" ich auf den!" – "Wie, du bist keine Jungfrau mehr?" – "Quatsch, ich hab" doch nur gesagt, wenn ..." Nach dem Spiel beginnen die Widersprüche.

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