Bandits

Deutschland 1996/1997 Spielfilm

Bandits



Martina Koben, epd Film, Nr. 7, Juli 1997

Vor vier Jahren kam Katja von Garniers "Abgeschminkt!" in die Kinos. Und der Übungsfilm der Münchner Filmhochschülerin traf einen Nerv und war ein so großer Erfolg, daß er den deutschen Komödien-Boom in Gang setzte. Nun hat die Regisseurin mit "Bandits" ihren zweiten Spielfilm inszeniert, und es sieht danach aus, daß auch dieser Film exemplarisch für einen neuen Trend werden könnte.

Der Trend ist: Mehr Action, mehr Tempo und mehr Härte, präsentiert in einem ironisch distanzierten Tonfall. Schon in "Nur aus Liebe" von Dennis Satin, "14 Tage lebenslänglich" von Roland Suso Richter und "Knocking" on Heaven"s Door" von Thomas Jahn hatten die Regisseure Elemente der deutschen Komödie mit Zutaten aus amerikanischen Road Movies, Knast- oder Gangsterfilmen gemixt. Das sah zunehmend virtueller aus: Je schmutziger der Hintergrund, vor dem eine Geschichte spielte, desto deutlicher wurde die Distanz der Filmemacher; Knast- und Gangstermilieu waren reine Kulisse. Entsprechend bunt und chic sind die Bilder dieser Filme. Alles ist Zitat; mit viel Vergnügen spielen die Regisseure mit ihren Erfahrungen aus dritter und vierter Hand.

Auch "Bandits" ist eine Komödie, ist Road Movie, Musik-, Knast- und Gangsterfilm in einem, wobei der besondere Reiz dieses Films darin besteht, daß die Gangster Frauen sind. Was erst umgekehrt wirklich stimmt: Es geht um Frauen, die auch Gangster sind. Wie etwas gewagte (und gerade deshalb sehr schmückende) Accessoires wirken die kriminellen Biografien, die Katja von Garnier (die zusammen mit Uwe Wilhelm auch das Buch geschrieben hat) ihren Frauen umgehängt hat: Emma (Katja Riemann) hat ihren Freund erschossen, weil der sie geschlagen und damit ihr ungeborenes Kind getötet hatte; Luna (Jasmin Tabatabai), aufgewachsen in Heimen und Besserungsanstalten, sitzt wegen schweren Raubes; Angelika, genannt Angel (Nicolette Krebitz), wegen wiederholten Heiratsschwindels und Marie (Jutta Hoffmann) hat systematisch ihren Mann mit Arsen vergiftet. Vier Frauen, die auf den ersten Blick nur eines verbindet: ihre Liebe zur Musik. Im Gefängnis gründen sie eine Band, die "Bandits", was, so Angel, eine fast geniale Kombination der Wörter "Band" und "tits" ist.

Der Knast selbst sieht supercool aus, in blaues Licht getaucht, mit gelegentlichen Akzenten in Rot. Wir hören eine "Bandits"-Fassung von "All Along The Watchtower", dazu chice körnige Bilder, schnell geschnitten, wie eine Jeans-Reklame oder ein Videoclip (Kamera: Torsten Breuer). Nur grob werden die Figuren skizziert: Emma ist die sensible Intellektuelle, Luna das Straßenkind, das die Sehnsucht nach Liebe hinter Sprüchen und Gewaltausbrüchen verbirgt; Angel, das verführerische Dummchen und Marie die nette, etwas unheimliche Verrückte mit Selbstmordneigung.

Als die Frauen auf dem alljährlichen Polizeiball spielen sollen, reizt ein Vollzugsbeamter Luna so sehr, daß sie ihn zusammenschlägt. Die "Bandits" fliehen und werden auf der Flucht vor der Polizei zum Medienereignis, zur Kultband. Damit kommentiert Katja von Garnier satirisch, was sie selbst in ihrem Film geschickt zu nutzen weiß: daß ein Hauch von Kriminalität und wildem Girlie-Charme vor allem verkaufsfördernd ist.

Wirklich gefährlich nämlich sind die Frauen nicht. Genausowenig wie die Karikatur eines widerlichen Macho-Kommissars (Hannes Jaenicke), der den "Bandits" auf den Fersen ist. Der Zuschauer dürfe das alles nicht so ernst nehmen, lautet die vordringlichste Botschaft dieses Films, schließlich sei alles nur ein Spiel. Und weil das Spiel Spaß machen soll, erleben die Frauen tolle Sachen: Sie bestrafen Tierquäler, machen Musik, ärgern die Polizei und nehmen eine sehr süße männliche Geisel, sehr sexy gespielt von Werner Schreyer (der als Model Kleidung von Levis, Versace, Hugo Boss und Calvin Klein vorgeführt hat) und verführen sie. Das alles sind Abenteuer, die die Frauen emanzipiert, wild und mutig aussehen lassen, obwohl jede für sich gar nicht so wild und mutig, eher sehr "weiblich" ist. Feminismus ist kein Thema, aber es geht in "Bandits" eben auch darum, daß Frauen tun, was in Filmen bislang Männern vorbehalten war. Ihre Weiblichkeit müssen sie dafür nicht aufgeben.

Die "Bandits" werden schließlich berühmt. Und tatsächlich sind ihre Lieder nicht schlecht, und die Musikeinlagen des Films machen Spaß, weil sie so fröhlich professionell präsentiert werden. Ein Vergnügen sind auch die Schauspielerinnen, vor allem Jutta Hoffmann und Jasmin Tabatabai, aber auch Katja Riemann und Nicolette Krebitz, die den Figuren Wärme, Witz und Leben geben. Dennoch ist "Bandits" kein üblicher Kinofilm, eher ein überlanger Videoclip, in dem die Erzählung nur noch als notdürftiges Gerüst dient. Gespiegelt werden in diesem Film die Fernseh- und Kinoerfahrungen der Zuschauer, eine hermetische Welt, die keine Ausblicke gestattet. Waren schon die deutschen Komödien geschickt getarnte Wirklichkeitsfluchten, ist nun die Abschottung perfekt: Authentische Erfahrungen scheinen unerreichbar geworden. Daß auch in dieser Spaßwelt Handlungen Konsequenzen haben, scheint die Macher von "Bandits" am Ende ebenso zu überraschen wie ihre Protagonistinnen.

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