Nju

Deutschland 1924 Spielfilm

Ossip Dymows "Nju" im Film


Film-Kurier, Nr. 98, 25.4.1924


Zu den wenigen Freuden des Filmkritikers gehört es, ein kleines delikates Gericht, das schon seit Monaten seinen Apetit reizt, wenn nur davon gesprochen wird, nun handgreiflich in der Pfanne schmoren und pritzeln zu sehen – – mit dem Gefühl: jetzt kann"s bald serviert und verspeist werden! Das Flanieren in Filmateliers ist herrlich; am schönsten, wenn man das Glück hat, auf die berühmte "letzte Szene" zu stoßen, mit der die Atelierarbeit beendet wird; am allerschönsten: wenn man auf diesen Film ohnehin schon mit Spannung wartet ...

Ein solcher Film ist das Kammerspiel "Nju" nach Ossip Dymow, das Paul Czinner, der Dichter, zum erstenmal sich an eine schwierige Filmregie heranwagend, eben für die "Rimax" zu Ende gedreht hat. Punkt Eins: Dymow. Diese zarte, elegische Kammermusik – – im Film?? Man ist sehr gespannt. Punkt Zwei: ein sehr starker, sehr temperamentvoller deutscher Bühnendramatiker als Regisseur: man ist noch mehr gespannt. Punkt Drei: Die Besetzung. Das ist schon mehr Hochglut. Drei Rollen im ganzen besetzt mit Jannings, Veidt und – als letzte pièce de résistence – Elisabeth Bergner, die größte deutsche Bühnenschauspielerin, hier zum erstenmal in einer beherrschenden Filmrolle.

Man sieht natürlich nicht viel, wenn man ein Stündchen im Atelier herumsteht. Aber man sieht doch eine Szene mit Jannings. Eine kleine Passageszene nur. Aber welche zarte Verschämtheit, welche hilflose Kindlichkeit in einer einzigen kleinen Bewegung dieses massiven, vierschrötigen Körpers! Man sieht noch, dass Czinner sehr präzise, sehr penibel die Zügel führt. Dann werden die Lampen gelöscht, Und der Rest ist: eine Reihe wirklich ausgezeichneter Szenenphotos, die einem das Wasser noch mehr im Munde zusammenlaufen lassen. (...)

Den Herstellern aber möchte man wie der König Ludwig zurufen: "Du courage, Molière!" Endlich einer, der den Mut gefunden hat, den faszinierten Blick von einer – angeblichen – anglo-amerikanischen Weltmarktmode zu wenden, die schon deshalb, weil sie tausendmal verwässert ist, nicht lange mehr den Weltmarkt beherrschen kann.

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