Alraune

Deutschland 1929/1930 Spielfilm

Alraune


pe., Lichtbild-Bühne, Nr. 289, 3.12.1930


Der auf die Sensationswirkung einer grausamen Phantastik berechnete Roman von Hans Heinz Ewers hat die Alraune als Vamp personifiziert, ehe man den Begriff Vamp kannte. Die in ihrer Zeit mit "Kühnheit" konstruierte Romanhandlung ist so häufig Gegenstand von Diskussionen gewesen, daß von vornherein Interesse eines breiten Publikums für dieses Filmthema da ist. Das hat sich erst vor wenigen Jahren bei dem Galeen -Film bewiesen. Wegener war damals der dämonische ten Brinken, Brigitte Helm der Vamp Alraune. Das Interessanteste an dem neuen Alraune-Film ist, daß die gleiche Schauspielerin uns jetzt eine ganz neue Alraune zeigt – eine nicht in Lust, sondern in unbewußter, beinahe unschuldiger Schicksalgetriebenheit verhängnisvoll Böses wirkende.

Ein an und für sich sehr richtiges Gefühl, diese Initiative zu einer Umformung der Figuren, zu einer Neutralisierung und Romantisierung des in seiner nie echt gewesenen Dämonie heute wohl nicht mehr erträglichen Stoffes. Wenn dieser Versuch im Teil die gewünschte Wirkung erreicht, so ist es starken, vom Schauspieler ausgehenden Wirkungen zu danken. Daß es bei Teilwirkungen bleiben muß, liegt in der Art der Dialogführung, in der Konstruiertheit der Spielszene, der Überladung mit an sich oft interessanten Episoden. Hat sich bei Galeen eigentlich nur ein Teil des Romangeschehens breit ausgespielt, so wirkt hier die Dehnung schwerer, weil durch das Wort, durch viele Worte und durch eine die Einzelszene nicht komprimierende Regie das Aufnahmevermögen des Publikums sehr belastet.

Die Neuschaffung der Atmosphäre wird von den Drehbuchautoren (Roellinghoff und Weißbach) nicht bewältigt. Gewiß wird für viele das neue Vielerlei der Figuren, der Blick in immer interessierende Milieus nicht ohne Wirkung sein. Das liegt auch Oswald und so drängt er mehr als der Geschlossenheit zuträglich, äußere Buntheit vor: diese laute Vorgeschichte der Alraune-Zeugung aus dem Grauen-Engel-Milieu, die Geschichte der Kindesunterschiebung, das relativ laute Chauffeur-Ehepaar, die überdehnten Gesellschaftsszenen. Richard Oswald ist nicht der Mann, sublimierter Weibwirkung, seelischen Spannungen den Boden zu bereiten. Kritiklos ausgespielt ist vieles vergröbert, verzerrt, klingt laut und hohl wie jeder Schritt in diesem Film. Ohne eine die inneren Beziehungen schaffende Führerhand kommen die Schauspieler nicht zur stärksten Steigerung. So wird Brigitte Helms Alraune durch den übertriebenen Schnitt eines Ballkleids und den kritiklosen Schnitt der Regie gefährdet. Momentweise nur. Diese eigenartige Mischung griechischer Starre und asiatischer Katzenlauer läßt sie wieder in anderen Szenen sehr stark wirken. Eine Frau, die in eigener Ungewecktheit alles um sich entzündet. Das wirkt irritierend, faszinierend auch auf das Publikum. Bassermann ist der innerlich Verbrannte, Ehrgeizbesessene, Skrupellose. Schauerlich ein Krächzen von ihm. Das diskrete Bewußtmachen seiner Abhängigkeit von seinem Geschöpf und die Angst und der letzte Zusammensturz – sehr fein. Harald Paulsen spielt den Frank Braun: als gesund-frischen Liebhaber. Von unaufmerksamer Spielleitung nicht in Grenzen gehalten: Goetzke, die ihre Dämonie hier überspielende Straub, Käthe Haak, Henry Bender, Kowal-Samborski. In einigen Großaufnahmen interessante Photographie von G. Krampf, zu phantastischer Wirkung führende Behandlung der Lichtwerte in übersteigender Architektur. Im Ton Unausgeglichenheit. Einige Gesangseinlagen (Texte: Roellinghoff und Fritz Rotter) schienen zur Auflockerung, allerdings nicht zur lebensnäheren Charakterisierung placierbar. Ihren den momentan gangbarsten Stilen entsprechende Musik und die diskrete Illustrierung der Schlußszenen stammt von Dr. Kaper.

Leiser Widerspruch gegen Details verstummte in einem lang anhaltenden Schlußbeifall, der zweifellos in der interessanten schauspielerischen Leistung von Brigitte Helm und Albert Bassermann begründet ist.

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