Besser als Schule

Deutschland 2003/2004 Spielfilm

Besser als Schule



Ulrich Kriest, film-dienst, Nr. 9, 29.04.2004

Man könnte den Daily-Soap-Verschnitt "Besser als Schule" umstandslos in eine Reihe mit trivialen Unsäglichkeiten wie "Feuer, Eis & Dosenbier" (fd 35 287), "Pura Vida Ibiza" (fd 36 347) und "Abgefahren" (fd 36 434) stellen und über die unselige Tradition der deutschen Filmkomödie seit den Schlagerfilmen der späten 1950er- Jahre lamentieren. Für all die "Pauker"-, "Lümmel"-, "Ibiza"- und "Ballermann"-Filme gilt wie unlängst konstatiert: Hier wird seit Generationen der bittere Kelch der Erniedrigung bis zum letzten Tropfen geleert. "Besser als Schule" ist eine Spur subtiler und hat sich zudem etwas vorgenommen – eine Art Statement zum Stand der aktuellen Jugendkultur. Der Film erzählt die mäßig unterhaltsame, aber durchaus lehrreiche Geschichte, wie der Popstar Marc gemeinsam mit seinem schmierigen Manager Ralph auf die Idee kam, wieder zur Schule zu gehen, um das Abitur nachzumachen. Er, der die Hochschulreife natürlich längst in der Tasche hat, zitiert das alte Modell "Feuerzangenbowle" (fd 5 172), um seiner Klientel neue Identifikationsflächen zu bieten. Marc findet zunächst nichts dabei, bei diesem PR-Coup mitzuspielen. In der Schule sorgt sein Erscheinen für ein großes Hallo. Längst kennt man das Personal, das sich nun mit Marc auseinander zu setzen hat: Da gibt es die selbsternannten coolen Checker und "Erkan & Stefan"-Doubles wie den stets unerträglichen Gonzo, den schüchternen, aber liebenswerten Trottel Steven und natürlich all die Öko-Mädels, die keiner wirklich will, weil sie im Schulorchester die Flöte spielen. So wie Dana, die ein ganz "normales" Mädchen gibt, das sich für "den Einen" aufsparen will. Wenn ihr die große Liebe begegne, hat ihr die Großmutter verraten, werde über ihrem Herzen ein kleines rotes Herz zu leuchten anfangen. Steven, der Tolpatsch, ist in Dana verliebt, aber er macht natürlich immer alles falsch. Den Spott der coolen Clique fürchtend, nimmt er heimlich Klavierunterricht, punktet dann aber ausgerechnet mit einer einfältigen Ballade zum ersten Mal bei Dana, die wohl auf "Kuschelrock" steht (obwohl ihr Künstler-Vater an überlebensgroßen Phallus-Plastiken arbeitet). Viel zu lange befolgt Steven die gutgemeinten, aber strohdummen, soap-gestählten Ratschläge des Möchtegern-"Womanizers" Gonzo. Aber auch Pop-Idol Marc hat ein Authentizitätsproblem. Früher nämlich schrieb er andere Songs als das schleimige "Du bist besser als Liebe" und veröffentlichte sie im Eigenverlag. Dann aber kam die Musikindustrie, Auftritte bei "Top of the Pops" und ein Manager, der zuvor als Pornofotograf gearbeitet hatte. Marc ist also nicht mehr "er selbst". Sagt er jedenfalls, das ist Teil der PR-Kampagne – doch dann verliebt er sich "in echt" in Dana. Die glaubt fest daran, dass Marc ihr Herz zum Leuchten bringen wird. Doch da ist ja noch Steven, der schließlich coram publico Dana seine Gefühle offenbart. Während Marc bei gleicher Gelegenheit Dana einen seiner ehrlichen Songs mit dem Titel "Lass mich nicht gehen" widmet, erinnert seine Performance nur an einen konventionellen Auftritt; die Entfremdung hat sich gewissermaßen in seinen Körper eingeschrieben, der Junge hat seine Seele ans Business verkauft.

Man kann in "Besser als Schule"; die abgeschmackte, stets vorhersehbare Konfliktwut der Daily Soaps erkennen. Doch wenn man an der glatt polierten Oberfläche kratzt, kommt dahinter ein höchst merkwürdiges Konglomerat von komplexen Widersprüchen zum Vorschein, das durchaus Bedenkenswertes über die Situation der Jugend 2004 formuliert. Deren mögliche Identitäten zeigen sich gefangen im Spannungsfeld von Daily Soaps, MTV ("Dismissed"), VIVA, BRAVO und der Pop-Industrie einerseits und den Restbeständen einer bloß noch emphatisch behaupteten Authentizität andererseits. Die Lage ist fatal, denn diese (märchenhafte) Authentizität gründet ausgerechnet im mündlich überlieferten "Wissen" der Großmütter, von denen man wohl annehmen darf, dass sie dem umfassenden Zugriff der medialen Bewusstseinsindustrie nicht pausenlos ausgesetzt sind. Auffällig ist jedenfalls, dass sich die "interessanten" Jugendlichen in "Besser als Schule" von den Medien und den Popmechanismen als traditionell identitätskonstituierenden Institutionen ohne großes Bedauern verabschieden, was einigermaßen schlüssig zur Krise der Musikindustrie und zur Entwertung der Popmusik zu passen scheint. Ob die Rückkehr zum "romantischen" Wissen der Altvorderen und zum Klavierunterricht für die "I Love Me"-Generation (so ein Sticker im Film) eine relevante Option darstellen, sei dahin gestellt. Schließlich sind Dana und Steven potenziell genau jene kleinbürgerlichen Spießer, die ihre Eltern und Großeltern nicht mehr sein wollten. Ohnehin sei nicht verschwiegen: "Besser als Schule" ist "nicht wirklich" klüger als das System, das der Film zumindest in Ansätzen zu kritisieren scheint und dessen Widersprüche die Handlung fast zerreißen: Zum Kinostart wird im richtigen Leben eine Single von Thorsten "Marc" Feller veröffentlicht, der dazu im Presseheft ausführt: "Anfangs war eine Hip-Hop-Nummer geplant, aber das passte nicht wirklich zu mir. Ich bin aus der Rock-Pop-Ecke. Ich habe klar gesagt, was ich will, und so repräsentieren die Songs mich und meine Gefühlswelt. Allerdings war es recht schwer für mich, "Du bist besser als Liebe" einzusingen, da sich zu dieser Zeit meine Freundin und ich getrennt hatten."

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