Der Lord von Barmbeck

BR Deutschland 1973 Spielfilm

Summary

This movie is based on the memoirs of Julius Adolf Petersen (1882-1933), a burglar from Hamburg, who rose to fame as the “Lord of Barmbeck”. Petersen became a popular hero because he never resorted to physical violence in his heists and only robbed rich people. He escaped several arrest warrants, but was finally caught and subsequently sentenced to long-time imprisonment. Without any prospect of release, he committed suicide in 1933.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Das Leben, das ich hier schildere, ist leider ein gescheitertes. Das wahre Gut ist das der Selbsterkenntnis.“ Wenn Julius Adolf Petersen alias „Lord von Barmbeck“ am Ende sein Leben mit diesen Worten kommentiert, hat der Zuschauer einen wirklich unterhaltenden Spielfilm mit authentischem Hintergrund gesehen. Sein Unterhaltungswert resultiert nicht aus – bisweilen durchaus vorhandenen – Komikerspäßen der vordergründigen Art, sondern aus der scheinbaren Leichtigkeit, mit der Runze und seine Ko-Autorin Inken Sommer, die zudem in der Rolle der Komtesse Elli auf der Leinwand zu sehen ist, eine letztlich tragische Geschichte erzählen.

Vor allem aber auch aus der leisen ironischen Distanz, die der überragende Martin Lüttge der Titelrolle stets angedeihen lässt, weshalb er zuallererst einen Bundesfilmpreis verdient gehabt hätte, den dann Ottokar Runze für die Regie (Filmband in Silber) und Hans-Martin Majewski (Filmband in Gold) für die Musik eingestrichen haben.

Julius Adolf Petersen, 1882 als Sohn eines sozialistischen und darob politisch verfolgten Zigarrenarbeiters im berüchtigten Hamburger Gängeviertel geboren, reüssierte in den 1920er Jahren als Boss der „Barmbecker Gesellschaft“ (der Hamburger Ortsteil wird heute nur mit einfachem „k“ geschrieben) und berüchtigter Tresorknacker der Hansestadt. Und das auch, weil ihm nicht nur spektakuläre Einbrüche gelangen, sondern er der Polizei immer wieder entwischen konnte. Bis zum Jahr 1921, wo er verhaftet wurde, 49 Delikte gestand und zu 50 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, von denen er aber nur acht absitzen musste: Seine Lordschaft wurde 1932 wegen guter Führung entlassen.

Was Petersen als Aufforderung nahm, sofort wieder rückfällig zu werden, allerdings nicht mehr in seinem bisherigen Metier: Eine „berufsbehindernde“ Schwerhörigkeit ließ ihn sein „Knabbergeschirr“ beiseite legen und auf Geldfälscherei umsatteln. Was ihm nicht bekam, denn schon im Jahr darauf saß er wieder hinter Gittern. „Nun komme ich hier nie wieder ’raus“ sinnierte der „Lord“ – und nahm sich das Leben.

Damit beginnt der Spielfilm Ottokar Runzes, mit der Entdeckung des Erhängten durch einen Wärter im Hamburger Zuchthaus Fuhlsbüttel. Was folgt ist ein spannender Episodenfilm, der auf Gerichtsakten und Polizeiprotokollen fußt – und auf den 715 Seiten starken, in gestochener Sütterlinschrift verfassten Aufzeichnungen Petersens, die dieser – unter dem Eindruck eigener Lektüreerfahrung der Werke Shakespeares sowie der Bibel – in seiner Zelle geschrieben hatte und die der Kriminalkommissar Helmut Ebeling erst 1973 im Hamburger Staatsarchiv entdeckte.

Runze lässt in einer erstaunlich detailreichen, sehr lebendigen und dennoch authentischen historischen Kulisse ein Leben Revue passieren, das bis in die mittellose Kindheit, in die Schulzeit und damit zu den ersten Einbrüchen als gerade Dreizehnjähriger zurückreicht. Runze schildert geradezu chronologisch-nüchtern einen Außenseiter, der sich in seiner Auflehnung gegen die gutbürgerliche Gesellschaft der Weimarer Republik weniger als Krimineller denn als Schinderhannes verstand und wie Robin Hood das den Reichen geraubte Gut in seiner Kneipe an die Armen verteilte. Petersen half aber auch unmittelbar, so einem enterbten Grafen durch Testamentsdiebstahl aus der Klemme.

Runze zeigt jedoch auch einen zutiefst gestörten Menschen, der im Grunde selbst von einem bürgerlichen Leben träumt, was schon durch sein bourgeoises Outfit unterstrichen wird, und der sich dann die Anerkennung – und Liebe – im „Milieu“ zu holen versuchte, bei seinen Kumpanen Schlachter-Karl und Lockenfietje etwa oder seiner Geliebten Helmi, die, kaum seine Gattin geworden, eiskalt auf vornehme Frau machte und dafür keinen Aufwand scheute.

„Wenn wir bemittelten Menschen ihr Hab und Gut schmälern, bewegen wir uns immer noch im Menschlichen, aber nicht, wenn an unseren Fingern Blut klebt“: Petersen, der selbst Gewalt stets verabscheute und sie in den brenzligsten Situationen vermied, tat sich am Ende, bar jeder Illusion, selbst Gewalt an, nachdem er sich in seinen eigenen Aufzeichnungen zum eklatanten Beispiel verpasster Resozialisierung stilisiert hatte.

Ottokar Runze, der 1948 als Schauspieler im Deutschen Theater (Ost-) Berlin begann, bevor er 1951 in West-Berlin und 1964 in Salzburg Avantgarde-Bühnen für zeitgenössisches Theater gründete, aber immer wieder auch fürs Fernsehen als (Dokfilm-) Regisseur tätig war, galt bis zum „Lord“ beinahe als ein unbeschriebenes Blatt in der deutschen Filmszene. Dennoch gelang es ihm, eine tolle Besetzung zusammenzubekommen.

Pitt Herrmann

Credits

Director

Director of photography

Cast

Producer

All Credits

Shoot

    • 15.03.1973 - 17.10.1973: Hamburg, Schleswig-Holstein
Duration:
2918 m, 107 min
Format:
35mm
Video/Audio:
Eastmancolor, Ton
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 17.12.1973, 46206, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Screening:

Uraufführung: 17.05.1974;
TV-Erstsendung (DE): 04.11.1977, ARD

Titles

  • Originaltitel (DE) Der Lord von Barmbeck

Versions

Original

Duration:
2918 m, 107 min
Format:
35mm
Video/Audio:
Eastmancolor, Ton
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 17.12.1973, 46206, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Screening:

Uraufführung: 17.05.1974;
TV-Erstsendung (DE): 04.11.1977, ARD

Awards

Deutscher Filmpreis 1974
  • Filmband in Gold, Filmmusik
  • Filmband in Silber, Bester programmfüllender Spielfilm/Gestaltung
FBW 1973
  • Prädikat: besonders wertvoll