Lohn und Liebe

BR Deutschland 1973/1974 TV-Film

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die 20-jährige Fabrikarbeiterin Roswita montiert Telefone. Sie betrachtet ihre Arbeit am Fließband als reinen Broterwerb und träumt davon, eines Tages dem tristen Alltag und den Zwängen des Elternhauses durch Heirat entfliehen zu können. So schaut sie sich erst einmal in „ihrer“ Firma nach geeigneten Kandidaten um. Mit Gerhard Markgraf, einem leitenden Angestellten, könnte es ’was werden.

Der lädt Roswita generös zu Fahrten ins Grüne mit seinem Sportwagen einschließlich Essen in teuren Restaurants ein. Aber nach der ersten gemeinsamen Nacht gibt er sich plötzlich desinteressiert. Was die zunächst reichlich desillusionierte junge Frau immerhin dazu bringt, über sich selbst nachzudenken und sich erstmals für die Lage ihrer Arbeitskolleginnen zu interessieren.

Aus anderem Holz geschnitzt ist dagegen die 35-jährige Betriebsrätin Bärbel. Sie hat sich von ihrem selbstgefälligen Gatten, der daheim den Macho herausgekehrt hat und sich zu fein dafür war, selbst mitanzupacken, scheiden lassen. Die zweifache, nun mit neuem, aufgeschlossenem Freund nicht mehr gänzlich alleinerziehende Mutter will die die Arbeitsbedingungen vor allem der Frauen im Betrieb verbessern und setzt ganz auf weibliche Solidarität.

Doch die ist zu Beginn der 1970er Jahre in der Bundesrepublik erst wenig ausgeprägt: Die Männer geben im Wirtschaftswunderland den Ton an, im übrigen auch auf Seiten der Gewerkschaften und im Betriebsrat. Davon lässt sich eine wie Bärbel aber nicht entmutigen...

„Lohn und Liebe“ ist ein parteiischer Film, das Gespann Kratisch/Lüdcke, Absolventen der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), ist gar nicht erst um Distanz zum eigenen Stoff bemüht. So kommt in dieser sich so dokumentarisch gebenden Fernsehproduktion vieles plakativ-vereinfacht, übertrieben-einseitig ’rüber, was aber der Sache durchaus angemessen erscheint und dem Film selbst überhaupt nicht schadet. Der bei allem agitatorischen Anteil sehr lebensnah, sehr authentisch wirkt, was vor allem ein Verdienst der professionellen Schauspieler (beide Regisseure hatten zuvor häufig mit Laien gearbeitet) ist, zu nennen hier vor allem Dagmar Biener, Elfriede Irrall, Susanne Tremper und Edeltraud Elsner.

Lohn. Kein Auskommen mit dem Einkommen, und in den Leichtlohngruppen der Frauen schon gar nicht. Die einer wie der Betriebsratsvorsitzende nur vom Hörensagen her kennt. Der hohe Konkurrenzdruck im Kapitalismus zwingt die Unternehmer zur Rationalisierung, zumeist also zum Stellenabbau. Und jedenfalls zu Lohnkürzungen. Als es zu Herabstufungen auch innerhalb der niedrigsten Lohngruppen kommt, klafft eine Lücke in der Lohntüte: Die Preissteigerungen heben das im Tarifabschluss erkämpfte Plus schon bald wieder auf.

Liebe. Roswitas Mutter ist ganz entsetzt ob der unsittlichen Kürze des Rockes ihrer Tochter und all’ der anderen Gleichaltrigen. Aber erst, nachdem Roswita eine Nacht nicht daheim verbracht hat, sondern mit ihrem neuen Freund Bernd, kommt es zu einer vertrauensvollen Aussprache zwischen Mutter und Tochter, in der die Zwanzigjährige erstmals von der Existenz der Verhütungs-„Pille“ erfährt.

Liebe. Die Doppelbelastung der Arbeiterinnen daheim und im Betrieb lassen keine entspannte Atmosphäre aufkommen („Heute is nischt mehr drin“): Der Gatte ist mindestens ebenso fertig, wenn er von der Schicht kommt, weshalb die Kinder im Haushalt mit anpacken müssen, Schulaufgaben hin oder her. Bei denen ihnen die Eltern ohnehin nicht helfen können. „Ist ganz nett hier, bin ganz gern hier“: Und wenn einmal ein Besuch im feinen Restaurant ansteht, steht ihnen das Unbehagen an der fremden Umgebung ins Gesicht geschrieben.

„Zwanzig Jahre bin ich jetzt hier, aber so was hab’ ich noch nicht erlebt“: Einigkeit macht stark und die Frauen erreichen am Ende die Zusage, dass die alte Lohngruppen-Einteilung beibehalten wird. Doch die Kommentare der Gegenseite reichen von „Akt der Erpressung“ bis zur Drohung, die „Hintermänner“ und „Rädelsführer“ der Frauen ausfindig machen zu wollen, um „konsequente Schritte einleiten“ zu können: Die Schlacht ist lange noch nicht gewonnen, vom Krieg ganz zu schweigen.

„Lohn und Liebe“ gilt als erster großer Film des Arbeiterkinos der „Berliner Schule“ in den 1970er Jahren, die an die Tradition des proletarischen Films der 1920er und frühen 1930er Jahre anknüpfte. Was hier auch personell zum Ausdruck kommt: Lilli Schoenborn-Anspach, die 1932 in Slatan Dudows „Kuhle Wampe“ die Rolle der Mutter verkörperte, ist vierzig Jahre später als Berta zu erleben, der Ältesten der Frauengruppe im Betrieb. Und das bereits kurz nach der TV-Erstausstrahlung ab 22. April 1974 auch in einigen Kinos.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Duration:
2760 m, 101 min
Format:
16mm - Blow-Up 35mm, 1:1,37
Video/Audio:
Eastmancolor, Ton
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 14.05.1974, 46536, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Screening:

TV-Erstsendung (DE): 12.02.1974, ARD

Titles

  • Originaltitel (DE) Lohn und Liebe

Versions

Original

Duration:
2760 m, 101 min
Format:
16mm - Blow-Up 35mm, 1:1,37
Video/Audio:
Eastmancolor, Ton
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 14.05.1974, 46536, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Screening:

TV-Erstsendung (DE): 12.02.1974, ARD