Hoffnung auf Honecker

1971 übernahm Erich Honecker von Walter Ulbricht die Führung der SED (und später auch das Amt des Staatsoberhaupts) und ließ in Reden die Hoffnung auf eine liberalere Kulturpolitik anklingen: Es gäbe in den Künsten keine Tabus, solange die sozialistische Plattform nicht verlassen würde. Einer der ersten Filme nach dem Machtwechsel war Egon Günthers "Der Dritte", der bei den Filmfestivals in Karlovy Vary und Venedig in den Kategorien Beste Regie und Beste Darstellerin (Jutta Hoffmann) ausgezeichnet wurde, wie auch mit dem Nationalpreis der DDR, der höchsten Auszeichnung für einen Künstler in der DDR. Darüber hinaus war der Film ein großer Publikumserfolg. "Der Dritte" erzählt nach einem Szenarium von Günther Rücker die unspektakuläre und humorvolle Geschichte einer Frau, die auf der Suche nach ihrem dritten Partner ist. Mit seinem nächsten Film, "Die Schlüssel" (1971), der in enger Zusammenarbeit mit der Drehbuchautorin Helga Schütz entstand, geriet Günther erneut in politische Schwierigkeiten und beschloss, keine zeitgenössischen Themen mehr zu verfilmen.

 
Quelle: DIF© DEFA-Stiftung
Winfried Glatzeder in "Die Legende von Paul und Paula"
 

Der größte Erfolg dieser Jahre war Heiner Carows "Die Legende von Paul und Paula" von 1972 – die bittersüße Liebesgeschichte der jungen Verkäuferin Paula (Angelica Domröse), die trotz großer Hindernisse versucht, ihre Liebe zu dem verheirateten Paul (Wilfried Glatzeder) auszuleben. Die Vorlage stammte von Ulrich Plenzdorf, dessen verbotenes Drehbuch "Die neuen Leiden des jungen W." gleichzeitig als Erzählung und auf der Bühne großen Erfolg hatte – vor allem bei der Jugend. Siegfried Kühn, der an der Moskauer Filmhochschule VGIK studiert hatte, brach in "Das zweite Leben des Friedrich Wilhelm Georg Platow" (1972/73) mit den narrativen Konventionen. Mit wechselnden Kamera- und Montagestilen und Sprüngen von einem Genre ins andere erzählen Kühn und Kameramann Roland Dressel die Suche eines entlassenen Bahnwärters nach einem neuen Leben – und handelten sich damit Konflikte mit der Studioleitung ein.

Quelle: DIF© DEFA-Stiftung
Vlastimil Brodský und Erwin Geschonneck in "Jakob der Lügner"
 

Ein weiteres nicht realisiertes Drehbuch war Jurek Beckers "Jakob der Lügner". Der daraus entstandene Roman des in einem polnischen Ghetto aufgewachsenen Autors wurde zum internationalen Bestseller und durfte schließlich 1974 verfilmt werden. Unter der Regie von Frank Beyer brach "Jakob der Lügner" (Beyers erster Kinofilm nach "Spur der Steine") mit Konventionen des antifaschistischen Genres und behandelte – eine Seltenheit im DEFA-Film – das Thema eines Juden im Ghetto als sentimentales Märchen. Der Film repräsentierte erfolgreich die DDR beim Filmfestival in West-Berlin und wurde als einziger Film in der Geschichte der DEFA für einen Oscar nominiert. Nach einigen ironischen Kinderfilmen drehte Rainer Simon 1973/74 seine Version der mittelalterlichen Geschichte des "Till Eulenspiegel" als Symbol eines Künstlers, der gegen Staat und Kirche revoltiert. In Konflikt mit den Machthabern geriet Simon, als er seinen Stil mit der Satire "Zünd an, es kommt die Feuerwehr" (1977/78) fortsetzte.