Darstellerin, Regie, Regie-Assistenz, Drehbuch, Produzent
Bromberg (heute Bydgoszcz, Polen) München

Biografie

Katrin Seybold, geboren am 14. Juli 1943 in Bromberg (heute: Bydgoszcz), Polen, wuchs in Stuttgart auf und studierte ab 1964 Kunstgeschichte in Tübingen. Durch den Experimentalfilmkreis der Stuttgarter Uni sammelte sie erste praktische Filmerfahrungen. 1968 brach sie das Studium ab und zog nach Berlin, wo sie sich politisch engagierte: Sie lebte in der Frauenkommune in der Türkenstraße und beteiligte sich unter anderem an Studentenprotesten, Besetzungsaktionen und der Gründung eines antiautoritären Kindergartens. 1970 drehte sie in Co-Regie mit Gerd Conradt, einem der 18 relegierten Studenten der dffb, für die Rechtshilfe München ihren ersten Kurzdokumentarfilm "Die wilden Tiere – Rote Knastwoche". Im Jahr darauf bewarb sich ohne Erfolg an der dffb.

In den folgenden Jahren arbeitete Seybold für die Stiftung Deutsche Kinemathek, erhielt Lehraufträge an der TU Berlin und sammelte als Schauspielerin und Regieassistentin bei Filmen von Thomas Mauch, Hans Rolf Strobel und Edgar Reitz weitere Filmerfahrungen.

1975 zog sie nach München. Dort entwickelte sie als freie Redakteurin der Produktionsfirma Eikon für das ZDF Sendekonzepte (u.a. das Reportage-Format "Kontakte") und drehte Einspielfilme, meist zu sozialen Fragen, sowie dokumentarische Kurzfilme, so etwa "Gorleben" (1978), über die Bürgerinitiative gegen das AKW Gorleben.

Nachdem es 1979 aus politischen Gründen zum Bruch mit der Eikon kam, gründete Seybold ihre eigene Produktionsfirma und rief gemeinsam mit Peter Krieg die Verleihgenossenschaft der Filmemacher ins Leben. Bei ihrer ersten eigenen Produktion "Schimpft uns nicht Zigeuner" (1980; für das TV-Jugendmagazin "Direkt"), über die Diskriminierung junger Sinti, lernte sie die Sinteza Melanie Splita kennen. Bis 1987 realisierten die beiden Frauen drei weitere Dokumentarfilme über die Sinti, wobei Splita meist als Beraterin, Vermittlerin und Autorin fungierte: "Wir sind Sintikinder und keine Zigeuner" (1981), "Es ging Tag und Nacht, liebes Kind. Zigeuner (Sinti) in Auschwitz" (1982) und "Das falsche Wort. Wiedergutmachung an Zigeunern (Sinte) in Deutschland?" (1987). Parallel dazu engagierte Seybold sich ab 1981 in der AG Dokumentarfilm und wurde als deren Vertreterin in den Auswahlausschuss für staatliche Filmförderung berufen. Aber nachdem sie massive politische Einflussnahmen durch die CSU bei Förderentscheidungen öffentlich angeprangert hatte, wurde sie aus dem Gremium ausgeschlossen. Nach eigener Aussage erhielt sie als Folge fast 20 Jahre lang keine Filmförderung mehr. In ihren Möglichkeiten derart eingeschränkt, arbeitete Seybold vor allem fürs Fernsehen. Sie drehte kritische Reportagen für das Format "Kontakte" und entlarvende Abhandlungen über das Verhältnis der Deutschen zu Luther ("Ein wild, roh, tobend Volk", 1983) und Friedrich den Großen ("Gefahr für den König", 1986). Daneben produzierte sie Filme, Reportagen und Fernsehbeiträge anderer Regisseure.

Prägend war Seybolds Begegnung mit dem amerikanischen Filmemacher Emanuel Rund im Jahr 1986: Er realisierte in Deutschland bis 1990 mehrere, von Seybold produzierte Filme über die Judenverfolgung unter Hitler. Vor allem ""Alle Juden raus!" Judenverfolgung in einer deutschen Kleinstadt 1933-1945" (1990) wurde von der Kritik hoch gelobt und erhielt beim Chicago International Film Festival den "Silver Hugo Award". Zugleich entfachten Runds Filme Seybolds eigenes Interesse an der Thematik. Ohne öffentliche Filmförderung realisierte sie " Mut ohne Befehl" (1994), über Widerstandskämpfer in Stuttgart zwischen 1933 und 1945, "Nein! - Zeugen des Widerstandes in München 1933 – 1945" (1998) und "Ludwig Koch - Der mutige Weg eines politischen Menschen" (2000).

Erst für "Die Widerständigen - Zeugen der Weißen Rose" (2008) erhielt Seybold, die seit 2003 mit dem Filmemacher Thomas Harlan verheiratet war, erstmals staatliche Fördermittel. Aber trotz weitgehend positiver Kritiken wurden die Fördermittel für die geplante Fortsetzung des Projekts verwehrt, dessen Realisierung sich dadurch erheblich verzögerte. Während der Arbeit an "Die Widerständigen 'also machen wir das weiter ...'", über unbekanntere Mitglieder des deutschen Widerstands und der "Weißen Rose", erlag Katrin Seybold am 27. Juli 2012 ihrer seit Jahren andauernden Krebserkrankung. Basierend auf Seybolds umfangreichen Recherchen und gefilmten Interviews wurde der Film schließlich von ihrer Freundin Ula Stöckl vollendet und 2015 im Rahmen der Berlinale uraufgeführt. Im Mai 2015 startete "Die Widerständigen 'also machen wir das weiter ...'" in den Kinos.