Manta Manta

Deutschland 1991 Spielfilm

Der eingebaute Duden


Alfred Holighaus, TIP Magazin, Nr. 20, 1991

Im Winter erzählt, im Sommer verfilmt. Die Manta-Witze machten es möglich. So schnell wurde in Deutschland lange kein Film mehr hergestellt. Und das auch noch im Doppelpack. Trabi-Filmer Peter Timm machte "Manta - der Film", Formel-Eins-Regisseur Wolfgang Büld drehte "Manta-Manta" und TIP-Redakteur Alfred Holighaus sah sich beide Filme an.

Der Film, auf den angeblich die Nation wartet, kommt gleich zweimal. Und beide Filme - um es vorweg zu sagen - unterscheiden sich voneinander wie ein GSI von einem Golf. "Manta-Manta" und "Manta - der Film" sind die Filme zur größten Witz-Welle der Republik seit Erfindung der Ostfriesen und auf ihre Art ein Novum in dem Land, da Filme gemacht werden wie Steuererklärungen. Denn: Im Frühjahr lachten sich selbst Kadett-Fahrer über Manta-Witze kaputt, im Herbst können sie deren Verfilmung schon im Kino sehen. Bei aktuellen, brisanten politischen Themen haben Kritiker und Publikum ein solches Tempo immer eingeklagt. Jetzt könnten die Klagen ganz anders lauten: Die Filme wurden zu schnell gemacht und kamen doch zu spät.

Fest steht: In diesem Herbst werden Manta-Witze nur noch im Kino erzählt. Der finale Manta-Witz - "Was geht einem Mantafahrer durch den Kopf, wenn er gegen einen Baum fährt? - Der Heckspoiler" - hat dem Spaß ein Ende gemacht. Der Duden ist längst eingebaut, die Friseuse hat sich ausgeheult, und auch der Sarg des Vaters ist inzwischen tiefer gelegt. Manta-Witze, so ist der Lauf der Zeit, sind älter als die Zeitung von gestern und erhöhen den Unterhaltungswert eines Manta-Films nicht im geringsten.

Peter Timm und seine Autoren Michael Arnal und Xao Seffcheque haben das bei ihrem Projekt ("Manta - der Film") begriffen. Wenn hier Witze auftauchen, dann um zu zeigen, daß sie einen Bart haben. Bei Wolfgang Büld und seinem Autor Stefan Cantz ("Manta -Manta") füllen sie einfach ein paar leere Drehbuchseiten. Trotzdem: Den gespielten Witz wollten beide Projekte nicht präsentieren. Man ahnt, worum es hätte gehen können und sollen. Die Witze sind nicht entstanden, weil Opel auf derbste Art für ein Auslaufmodell werben wollte. Die Witze beschreiben Typen, die in einer High Tech- und Yuppie-Zeit zum gesellschaftlichen Auslaufmodell wurden und deren Aussterben dennoch ganze Regionen der Republik entvölkern würde. Zum Beispiel und vor allem das Ruhrgebiet.

"Manta - Manta" und "Manta - der Film" hätten unweigerlich Heimatfilme werden müssen. Der Mantafahrer an sich stammt aus der Gegend zwischen Neuss und Hagen, verzichtet freiwillig auf Champagner, fährt am Bochumer Theater mit mindestens achtzig Sachen vorbei und träumt davon, daß Schalke, der BVB oder der VfL den Bayern die Lederhosen ausziehen.

"Manta - Manta" und "Manta - der Film" konnten keine Heimatfilme werden, weil sie eben letztlich nur auf die Witze reagierten und nicht auf deren Ursprung. Peter Timm, der Ex-Ossi mit Westerfolg und Wohnsitz im deutschen Süden, war bei "Go Trabi Go" nahe dran am liebenswerten Heimatfilm (und wurde schwach, als er Sachsen und Bayern verließ, um die italienische Reise anzutreten), hier ist augenscheinlich kein Herzblut geflossen - offenbar zugunsten der reinen Professionalität. Wolfgang Büld, Subjekt und Objekt der Münchner Schickeria, machte selbst aus Hagen eine "Neonstadt". Die konnte man nur noch am Nummernschild erkennen.

So wurden beide Filme Zwitter, Bastarde aus Spekulation und Ambition. Eigentlich war in den letzten Jahren kaum ein deutscher Film thematisch so nahe an bundesdeutscher Wirklichkeit. Kinofilme mit "Lindenstraßen"-Touch auf freier Wildbahn hätten es werden können, lustiger, schneller, verrückter. Das Personal hat man nicht von ungefähr auch in der Kölner Dauerserie gefunden. Bülds Manta-Held ist Til Schweiger, der Zeitsoldat aus der Familie Zenker, sein Widerpart fährt Daimler, heißt Martin Armknecht und betrügt als Robert Engel seinen Freund Carsten Flöter mit einer Frau. Und Sebastian Rudolph, der Mantafahrer wider Willen aus Timms Projekt, ist der jugendliche Held der deutschen Neunziger mit dem unverwechselbaren Benny-Beimer-Touch.

Der Manta als Vehikel für Filme über die Jugendkultur jenseits der hellerleuchteten Koks-Cafés von München, der Boutiquen von Hamburg und der Szene-Bars mit Politvergangenheit von Berlin. Der Manta als goldenes Kalb für junge Leute, die noch keinen Bioladen von innen gesehen haben, für Paare, die ihre Kinder noch nicht gemeinsam austragen und Menschen, die ihr Bier noch immer aus Dosen trinken. "American Graffiti" im Revier der neunziger Jahre (Büld zitiert hemmungslos den Klassiker von Lucas). All das klingt an in beiden Filmen, all das verpufft aber auch wieder, weil die Filme im Wettrennen um den schnellsten Kinostart ihrer eigenen Produktion davongelaufen zu sein scheinen.

Natürlich haben die Filme auch eine Handlung. Doch die ergibt sich zwangsläufig aus den Manta-Klischees. Die Braut des Fahrers ist blond und Friseuse. Der Gegner fährt entweder Mercedes oder Golf GT). Man pendelt zwischen Disco und Fußballstadion, und die Eltern wohnen in der Siedlung der Stahl- oder Kohlehütte.

Büld und Timm haben auf ihr Personal gesetzt. Mit unterschiedlichem Erfolg. Das brat pack bei Büld (Schweiger, Armknecht, Tina Ruland, Stefan Gebelhoff, Michael Kessler und Nadja Naidenow) geht unter im künstlichen Ambiente des mit durchaus aufregenden Stunts versetzten Films ohne Profil. Timm hat sich auf weniger Darsteller beschränkt, stellt die Alltagsprobleme eines Pärchens in den Vordergrund und hat mit Sebastian Rudolph, vor allem aber mit Nadja Brennicke als Manta hassende Geliebte des Mantafahrers, der sich immer einen Golf gewünscht hat, ein Duo gefunden, das das Publikum lieben wird. Tatsächlich hätten beide Filme viel weniger sein können - und sind am Ende nicht genug.

Das Rennen der Mantafilme wird schließlich also eine sportliche Veranstaltung in der als unbeweglich verschrieenen deutschen Kinobranche. Wochenlang ließ man Publikum und Presse über die Starttermine im Ungewissen. Frühestens im November sollte der erste Film kommen. Plötzlich, aber nicht ganz unerwartet, kamen beide Filme noch im Herbst in die Kinos. Peter Timm war zwei Wochen vor Wolfgang Büld am Start. Wer zuerst ins Ziel kommt, interessiert die beiden Produzenten am meisten. Die konkurrieren nämlich beim Manta-Projekt nicht zum erstenmal miteinander.

Hanno Huth, Produzent und Verleiher von "Manta - der Film", hatte als erster die Idee zu einem anderen Prolo-Renner. Er wollte mit Brösel den Werner-Film machen. Bernd Eichinger, Produzent und Verleiher von "Manta - Manta", bot Brösel die besseren Bedingungen und warb ihn erfolgreich ab. Huth wettete damals mit Eichinger um einen Porsche, daß dessen Projekt floppen würde. Eichinger hat jetzt einen Porsche mehr. Im Manta-Fall hat Huth nicht nur den früheren Starttermin, sondern auch den interessanteren Film. Der Vorsprung dürfte zumindest für einen Ascona reichen.

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